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Fluchtwege barrierefrei gestalten
Im Rollstuhl Fluchtwege zu passieren, ist oft gar nicht so einfach. Schon Türen können zum Hindernis werden. © Getty Images/Pulvret80

Arbeitssicherheit : Fluchtwege barrierefrei gestalten

Im Notfall können mehrstöckige Bürogebäude für Personen mit Beeinträchtigung eine Herausforderung sein. Fluchtwege müssen daher unbedingt barrierefrei sein.

Es ist ein Montagnachmittag wie jeder andere. Während manch einer schon an den Feierabend denkt, geht plötzlich der Alarm los: Die Sirenen heulen, die Warnlampen leuchten. Im Bürogebäude brennt es. Für die Beschäftigten gilt nun: Ruhe bewahren. Und sich selbst sowie Kolleginnen und Kollegen in Sicherheit bringen.

Eine Herausforderung, die besonders beeinträchtig­te Menschen schnell in ausweglos erscheinende Situationen bringen kann. Damit auch sie das Gebäude eigenständig und zügig verlassen können, müssen Fluchtwege für den Brandfall von vornherein barrierefrei geplant werden, betont Jürgen Meß, stellvertretender Leiter des DGUV Sachgebiets „Barrierefreie Arbeitsgestaltung“.

Fluchtwege einfach gestalten

Grundsätzlich sollten Fluchtwege einfach gestaltet sein, erklärt der Experte: „Bei der Planung stehen die ‚normalen‘ Verkehrswege im Fokus, sprich: Im Brandfall verlasse ich das Gebäude möglichst auf demselben Weg, auf dem ich es betreten habe.“ Dadurch wird verhindert, dass jemand in einer Ausnahmesituation noch überlegen muss, in welche Richtung es ins Freie geht.

Bild einer aufleuchtenden Roten Sirene.
Zwei-Sinne-Prinzip: visuelle und akustische Alarmsignale im Brandfall. © Adobe Stock/Sergey

Das Zwei-Sinne-Prinzip hilft Menschen mit eingeschränkter Wahrnehmung

Im Sinne der Barrierefreiheit sollten die Verantwortlichen der Gebäude- und Brandschutzplanung zum einen an breite Verkehrswege, Rampen sowie Aufzüge denken und zum anderen stets das Zwei-Sinne-Prinzip berücksichtigen. „Damit ist gemeint, dass Warninformationen immer mit mindestens zwei Sinnen wahrnehmbar sein müssen“, so Meß. Das betrifft sowohl Alarmsignale als auch die Fluchtwegkennzeichnung.

Im Notfall müsse es zum Beispiel sowohl akustische als auch visuelle Signale für jene Menschen geben, die schlecht sehen oder hören. Zusätzlich könnten Anzeigetableaus oder Bildschirme über die Situation informieren.

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Dei DGUV informiert Sie über Alarmierung und Evakuierung.

Eine Hand ertastes auf einem eisernen Griff taktile Informationen.
Taktile Informationen, etwa auf Handläufen, helfen sehbehinderten Menschen dabei, sich in Gebäuden zu orientieren. © Getty Images/ThamKC

Aufzüge für den Brandfall sind mit Planung möglich

Damit sich Menschen mit Sehbehinderung im Notfall orientieren können, sind geeignete Leitsysteme erforderlich, zum Beispiel mithilfe fühlbarer Schrift oder Brailleschrift. Anhand derer können sich blinde und schlecht sehende Menschen im Treppenhaus orientieren und wissen, in welchem Stockwerk sie sich befinden und in welcher Richtung der Notausgang liegt.

Auch Personen, die auf einen Rollstuhl oder Rollator angewiesen sind, sollen sich im Fluchtfall eigenständig in Sicherheit bringen können – ebenfalls aus mehrstöckigen Gebäuden. Mittlerweile gibt es bauliche und technische Lösungen, die eine Weiternutzung von Aufzügen im Brandfall ermöglichen. Dazu gehören die brandschutztechnische Abschottung, spezielle Brandmeldeanlagen und eine sichere Stromversorgung.

Genehmigungsbehörden frühzeitig einbinden

Doch Aufzüge als Bestandteil barrierefreier Fluchtwege zu denken, ist laut Meß ein komplexes Thema: „Hierfür sollten sich die Verantwortlichen der Gebäude- und Brandschutzplanung sowie des Aufzugsbaus vorab zusammensetzen und intensiv Gedanken machen. Im Idealfall wird eine Expertin oder ein Experte für Barrierefreiheit hinzugezogen.“ Meß rät zudem, die Genehmigungsbehörde frühzeitig einzubinden.

Leicht zu übersehende Barrieren sind zudem Türen. Ist der Zugwiderstand zu groß oder der Griff zu hoch angebracht, können Menschen im Rollstuhl oder mit Muskelschwäche sie nicht öffnen. Hierfür gibt es ebenfalls technische Möglichkeiten, die auch im Brandfall weiterbetrieben werden können.

Barrierefreie Fluchtweggestaltung kommt allen zugute

Insbesondere in öffentlichen Gebäuden sei die barrierefreie Flucht herausfordernd, da sich hier häufig unbekannte Personen aufhalten: „In Unternehmen wissen meist alle, welche Kolleginnen oder Kollegen eine Behinderung haben. In einem Bürgeramt hingegen können sich jederzeit Besucherinnen und Besucher aufhalten, deren Einschränkungen nicht bekannt sind.“

Grundsätzlich müssen Beschäftigte regelmäßig unterwiesen werden, was im Notfall zu tun ist, sagt Meß. Dann sind sie im Umgang mit den Warnsig­nalen und jeweiligen Evakuierungsmaßnahmen geübt und fühlen sich sicherer. In sehr vielen Fällen sind Beeinträchtigungen und Behinderungen zudem nicht angeboren, sondern entstehen mit zunehmendem Alter. Auf barrierefreie Fluchtwege können wir also alle einmal angewiesen sein.

Das können Führungskräfte für eine barrierefreie Evakuierung tun

  • Führungskräfte sollten sich, wo immer möglich, von Anfang an für eine barrierefreie Planung der Arbeitsstätte einsetzen.
  • Üben ist das A und O: Führungskräfte sollten mit regelmäßigen Unterweisungen dafür sorgen, dass die Beschäftigten im Notfall genau wissen, wie einzelne organisatorische Lösungen funktionieren – etwa wie man den Evakuierungsstuhl benutzt.
  • Führungskräfte sollten in die betriebliche Eingliederung eingebunden sein, wenn Beschäftigte etwa einen Unfall hatten und danach Beeinträchtigungen haben.
  • Um zu erkennen, wie sie Menschen mit Behinderungen bestmöglich unterstützen können, brauchen Führungskräfte kompetente Ansprechpersonen. Das können Betriebsärztinnen und -ärzte, Schwerbehindertenvertretungen, Personalvertretungen und natürlich die Betroffenen selbst sein.