topeins 3/2022

VERANTWORTLICH FÜHREN 19 3 | 2022 top eins „Es geht nicht darum, ein wenig mitarbeiten zu dürfen“ Über Menschen mit Behinderung kursieren viele falsche Annahmen. Diese Meinung vertritt Laura Gehlhaar. Sie zeigt Unternehmen Wege auf, wie sie bei sich Inklusion und Diversität stärken können. INTERVIEW: ISABELLE RONDINONE L aura Gehlhaar ist Unterneh- mensberaterin, ausgebildete Me- diatorin und Coachin. Auf Social Media äußert sie sich seit vielen Jahren zu Inklusion und Gerechtigkeit – und gehört dort zu den lautesten Stimmen. Gehör findet sie unter anderem bei Un- ternehmen und Organisationen, die sich inklusiv aufstellen und dahinge- hend weiterbilden wollen. Was Gehl- haar unter Inklusion versteht und was dafür unbedingt notwendig ist, schil- dert sie im Interview. Frau Gehlhaar, mit welchen Fragen kommen Unternehmen auf Sie zu? Oft sind es Diversity- oder Inklusionsbe- auftragte von Organisationen, die sich bei mir melden. Die Anfragen sind sehr unterschiedlich, aber im Grunde geht es darum, dass sie lernen wollen, wie sie als Unternehmen eine diverse und inklusive Unternehmenskultur imple- mentieren können. Also: Welche Vor- aussetzungenmüssen erfüllt sein, damit sich Beschäftigte mit Behinderung bei uns willkommen fühlen? Was verstehen Sie unter Inklusion im betrieblichen Kontext? Inklusion beziehungsweise DEI – also Diversity, Equity and Inclusion, wie es in Fachkreisen genannt wird – besteht nicht daraus, punktuell in einem Team oder auf einer bestimmten Etage so und so viele Beschäftigte mit Behinderung einzustellen. Ich verstehe Diversität viel- mehr als ein Ökosystem, das alle Un- ternehmensbereiche und Hierarchien durchdringt. Diversität umzusetzen, ist zeitaufwendig und erfordert viel Reflexi- on – auch was eigene Arbeitsstrukturen betrifft. Diese sind zwar etabliert, aber eben nicht für alle gut und schließen behinderte Beschäftigte oft aus. Gibt es Falschannahmen über Inklusion, denen Sie begegnen? Zugänge für behinderte Menschen zu schaffen, ist eine Sache. Aber reicht das? Ich gehe gern noch einen Schritt weiter: Behinderte Beschäftigte sollen nicht einfach nur ein wenig mitarbeiten dürfen. Sie sollen gehört und gesehen werden, Gespräche und Aufgaben leiten dürfen. Selbst wenn es ein Unternehmen schafft, eine diversere Belegschaft zu er- reichen, muss es sich die Frage stellen: Wie wertgeschätzt und aufgehoben füh- len sich die Beschäftigten? Haben sie die Möglichkeit, ihr Potenzial zu entfalten, Leistung zu erbringen und Karriere zu machen – bis sie vielleicht sogar meine Abteilung leiten? Das zu lernen, ist für Nicht-Behinderte ein schwerer Prozess, weil sie ein unvollständiges Bild von be- hinderten Menschen haben. Inwiefern? Es kursieren einfach viele falsche Bilder über Menschen mit Behinderung. Ganz tückisch ist zumBeispiel die Erwartung, dass behinderte Beschäftigte dankbar sein müssten, überhaupt „mitmachen“ zu dürfen. Wenn sie sich aber beschwe- ren, etwas kritisieren oder einfordern, ist das für Nicht-Behinderte oft irritie- rend. Das zu verlernen, ist harte Arbeit. Laura Gehlhaar, Unternehmensberaterin und Coachin für Diversity, Equity and Inclusion (DEI). Marco Ruhlig Das ganze Interview unter: topeins.dguv.de > Dossiers > Interviews > Laura Gehlhaar

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