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Interview: Letztlich entscheidet das Virus
Laut Marcus Hussing, Jurist der DGUV, sind Beschäftigte dazu verpflichtet, sich und andere zu schützen. © DGUV

Gesundheitsschutz : Interview: Letztlich entscheidet das Virus

Konflikte um Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus werfen auch am Arbeitsplatz Fragen auf. Ein Interview mit Marcus Hussing, Jurist bei der DGUV.

Wie handeln Unternehmerinnen und Unternehmer in der Epidemie rechtssicher?

Zunächst sind natürlich die Corona-Verordnungen der einzelnen Bundesländer und die neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verpflichtend zu beachten. Daneben trägt die Umsetzung der Arbeitsschutzregel und der branchenspezifischen Konkretisierungen der Unfallversicherungsträger in den Betrieben, Einrichtungen und Verwaltungen dazu bei, die Infektionskette an vielen Stellen zu unterbrechen und damit nicht nur dem Arbeitsschutz Genüge zu tun, sondern zugleich einen Beitrag zum Bevölkerungsschutz zu leisten. Wer die substituierenden, technischen, organisatorischen und personenbezogenen Schutzmaßnahmen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel und der -Arbeitsschutzverordnung sowie die aktuellen Rechtsvorschriften seines Bundeslandes zur Pandemie umsetzt, ist rechtlich auf der sicheren Seite. Die Arbeitsschutzregel ist sehr konkret und kann als Handlungsanleitung dienen, um die Gefährdungsbeurteilung mit Blick auf Corona bei Bedarf zu aktualisieren. Die Gefährdungsbeurteilung ist auch der zentrale Punkt der neuen Verordnung.

Was fordert die Verordnung von Betrieben noch?

Der zentrale Punkt ist, Kontakte zu reduzieren. Wer einen Betrieb oder eine Verwaltung führt, muss sehr kritisch prüfen, ob er die Zahl von Menschen in seinen Räumen weiter reduzieren kann. Ist die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen erforderlich, so darf eine Mindestfläche von 10 Quadratmetern für jede im Raum befindliche Person nicht unterschritten werden, sofern die Tätigkeiten dies zulassen. Wo das nicht möglich ist, müssen andere Schutzmaßnahmen wie Lüftungsmaßnahmen und Abtrennungen getroffen werden. Wo mehr als zehn Menschen zusammenarbeiten, müssen feste Arbeitsgruppen gebildet werden. Außerdem soll es möglichst keine betrieblichen Zusammenkünfte geben.

Also ab ins Homeoffice?

Ja, die Arbeitgebenden haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, zuhause zu arbeiten. Das Thema „Mobile Arbeit“, zu der auch das Arbeiten im Homeoffice gehört, ist durch die Corona-Krise gesamtgesellschaftlich in den Vordergrund gerückt. Durch die Absicht vieler Unternehmen, langfristig verstärkt mobile Arbeitsformen zu nutzen, ist die Relevanz des Themas für die Präventionstätigkeit ebenfalls deutlich erhöht. In der gesetzlichen Unfallversicherung wurden die Herausforderungen an die Prävention bei räumlicher und zeitlicher Flexibilisierung der Arbeit bereits durch das Initiativpapier „Neue Formen der Arbeit. Neue Formen der Prävention. Arbeitswelt 4.0: Chancen und Herausforderungen“ beschrieben und erste Empfehlungen gegeben. Zudem haben die Unfallversicherungsträger eine Reihe von Informationen und Hilfestellungen erarbeitet.

Wo Menschen bei der Arbeit dennoch zusammenkommen, haben Arbeitgebende die Pflicht, medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken zur Verfügung stellen, wenn …

… die genannten Bedingungen der Raumbelegung nicht eingehalten werden, der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann oder besonders viele Aerosole in die Luft geraten wie beim lauten Sprechen oder beim Singen. Die Beschäftigten haben dann auch die Pflicht, diese Masken zu verwenden.

Was gilt, wenn die Beschäftigten nicht mitziehen wollen?

Maske tragen, Abstand halten, Hände waschen, Lüften – gerade die verhaltensbezogenen Schutzmaßnahmen während der Epidemie erfordern nicht nur ein Sicherheitsbewusstsein seitens der Beschäftigten, sondern auch von solchen, die über Leih- oder Werkverträge oder über Fremdfirmen im Betrieb im Einsatz sind. Neben den Arbeitgebenden haben die Beschäftigten eine Reihe von Pflichten. Hierzu gehört nicht nur die Pflicht, die Weisungen der Arbeitgebenden zu befolgen. Vor allem zu nennen ist die Pflicht der Beschäftigten, sich selbst und andere zu schützen. Nicht nur, aber gerade in Zeiten der Epidemie bekommen diese Pflichten zum Eigen- und Fremdschutz eine ganz besondere Bedeutung. Zum Beispiel vom Tragen einer Maske kann man sich nur unter ganz engen Voraussetzungen befreien lassen ­– und selbst dann hat man keinen Freifahrtschein. Ganz klar ist aber auch: Wer andere beschäftigt oder in seinem Betrieb einsetzt, muss ihnen erklären und zeigen, wie sie sich und andere im Betrieb schützen können.

Die von Ihnen angesprochene Unterweisung der Beschäftigten ist eine gute Gelegenheit, über Ängste und Probleme im Zusammenhang mit Corona ins Gespräch zu kommen …

Richtig, denn so lassen sich Konflikte vermeiden, gegebenenfalls besondere Regelungen für einzelne Personen oder Gruppen finden, die sich besonders belastet fühlen. Das kann dem einen oder anderen Rechtsstreit vorbeugen. Denn schließlich stehen die Beschäftigten ja in der Pflicht, ihre Leistung wie im Arbeitsvertrag vereinbart zu erbringen.

Auch wenn es keinen hundertprozentigen Schutz am Arbeitsplatz gegen eine Infektion gibt?

Den gibt es weder dort noch anderswo. Aber wenn es am Arbeitsplatz eklatante Versäumnisse gibt, ist nicht nur die Arbeit unzumutbar. Hier müssen und werden auch Versäumnisse im Rahmen der Überwachung seitens der Aufsichtspersonen der gesetzlichen Unfallversicherung und der Aufsichtsbehörden der Länder geahndet.

Wo können sich Unternehmer und Unternehmerinnen beraten lassen?

Alle Beteiligten haben in der Epidemie viel gelernt. Die Unfallversicherungsträger bieten branchenspezifische Informationen auf ihren Websites an. Auch die Präventionsberaterinnen und -berater sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte und -ärztinnen können angesprochen werden.

Ein abschließender Rat?

Insgesamt sollten sich alle Unternehmerinnen und Unternehmer über die Rechtslage informieren und im Gespräch mit den Beschäftigten und allen anderen betrieblichen Akteurinnen und Akteuren bleiben. Letztlich entscheidet das Virus darüber, wie es weitergeht.

Text: DGUV | 3.2.2021