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Konfliktstoff am Arbeitsplatz in der Corona-Pandemie
Sind sogenannte Maskenverweigerer im Recht? Aktuelle Urteile geben Aufschluss. © iStock/skynesher

Führungskultur : Konfliktstoff am Arbeitsplatz in der Corona-Pandemie

Beim Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen oder FFP2-Masken am Arbeitsplatz und Homeoffice scheiden sich die Geister. Fragen und Antworten zum Arbeitsrecht.

Kann „Maskenverweigerern“ gekündigt werden oder können Beschäftigte von der Arbeit fernbleiben, weil sie sich dort nicht ausreichend vor einer Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 geschützt sehen? Darüber geraten Arbeitgebende und Beschäftigte in Konflikt seit die Pandemie den Arbeitsalltag mitbestimmt. Parallel dazu werden Regeln und Verordnungen nachgelegt und Urteile in Einzelfällen gesprochen.

Kündigungsgrund Maske?

Ein aktuelles Beispiel aus Siegburg (Az.: 4Ga 18/20): Das Amtsgericht bestätigte einer Stadtverwaltung, dass sie von einem Mitarbeiter das Tragen einer „Maske“, fachsprachlich Mund-Nasen-Bedeckung (MNB), verlangen kann, wenn er in Kontakt mit anderen Personen kommt. Der Verwaltungsmitarbeiter hatte dies trotz einer allgemeinen „Maskenpflicht“ im Rathaus verweigert, worauf ihn die Stadt nicht weiter beschäftigen wollte. Er klagte dagegen – und verlor. „Arbeitgeber dürfen zum Schutz vor Corona-Infektionen von ihren Beschäftigten verlangen, dass sie eine MNB während der Arbeitszeit tragen“, so die Siegburger Richter.

Während „Maskenverweigerer“ unter Umständen den Job riskieren, kündigen andere, weil sie sich bei der Arbeit unbedingt mit einer MNB schützen wollen. So geschehen in Bielefeld, wo ein Chef Schutzmaßnahmen gegen Corona für unnötig, sogar lächerlich hielt. Da eine Mitarbeiterin für das Tragen einer MNB und ihren Wunsch nach mehr Infektionsschutz nur Häme erntete, kündigte sie schließlich ihren Job. Häufig seien Beschäftigte der Meinung, in solch einer Situation „am kürzeren Hebel zu sitzen“, sagt Fabian Wilden aus der Landesrechtsabteilung von ver.di Nordrhein-Westfalen. „Der Arbeitgeber ist rechtlich dazu verpflichtet, Hygieneregeln einzuhalten und den Arbeitnehmer gegen Gefahr für sein Leben und seine Gesundheit zu schützen.“

Sich und andere schützen – Pflicht am Arbeitsplatz

Bei Konflikten um Corona-Schutzmaßnahmen bei der Arbeit geht es zum einen um die Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden, zum anderen um die Mitwirkungspflicht der Beschäftigten. Wer andere nicht vor einer Infektion schützen will, obwohl die dazu notwendigen Maßnahmen angemessen sind, verletzt seine Pflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung. Wer ein Unternehmen oder eine Verwaltung führt, sorgt mit einer vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung (u.a. §§ 5, 6 ArbSchG) für die notwendigen Schutzmaßnahmen, an denen die Beschäftigten ihrerseits mitwirken müssen (u.a. § 15 ArbSchG).

Dies galt bereits lange vor Corona. Inzwischen sind neben dem ArbSchG die Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) bei den im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung abzuleitenden Maßnahmen zu berücksichtigen und seit dem 27. Januar die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Danach sind an Arbeitsplätzen, an denen Abstandregeln nicht eingehalten werden können, medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken vorgeschrieben – Alltagsmasken aus Baumwolle reichen nicht mehr aus. Zudem wurde der Druck auf Arbeitgebende erhöht, Beschäftigten Homeoffice anzubieten (siehe Interview).

Leitfaden für rechtssicheres Handeln

Doch woher soll man sich damit auskennen, wenn man eigentlich einen Malerbetrieb leitet, ein Bekleidungsgeschäft oder eine Schule? Hier soll die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel helfen, die anlässlich „der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ zeigt, wie die Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich des Infektionsschutzes ergänzt werden kann, zum Beispiel bei der Arbeitsplatzgestaltung, in Sanitärräumen, Kantinen und Pausenräumen, bei der Lüftung, bei Dienstreisen und Besprechungen sowie durch Homeoffice-Angebote. Darüber hinaus kommen persönliche Schutzmaßnahmen zum Tragen. Die wichtigsten sind aus dem Alltag bekannt: Kontakte vermeiden, ansonsten Abstand halten und Maske tragen, regelmäßig lüften, Hände waschen oder desinfizieren. Zudem beschreibt die Arbeitsschutzregel den Umgang mit besonders schutzbedürftigen Beschäftigten und solchen, die nach einer SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19-Erkrankung zur Arbeit zurückkehren.

Obgleich die Arbeitsschutzregel kein Gesetz ist, empfiehlt der Jurist Marcus Hussing von der DGUV sie schon aufgrund ihrer rechtlichen Vermutungswirkung dringend als Leitfaden für rechtssicheres Handeln in der Epidemie zu berücksichtigen. Unabhängig davon sind Corona-Schutzverordnungen der einzelnen Länder und die bundesweite Corona-Arbeitsschutzverordnung verpflichtend zu beachten.

Wo über den Chef oder die Chefin beschweren?

So viel Verantwortung zeigen leider nicht alle Arbeitgebenden. Davon zeugen Beschwerden von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die beim Hamburger Amt für Arbeitsschutz eingingen. Im Jahr 2020 waren es fast dreimal so viele wie im Vorjahr. Vor allem in Produktionsstätten und Büros fühlten sich Beschäftigte nicht ausreichend vor Infektionen geschützt. Ein Sprecher der Justizbehörde, Dennis Sulzmann, stellt fest: „Die Zunahme der Beschwerden steht im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Epidemie.“

Das Amt für Arbeitsschutz geht den Beschwerden nach, klärt Arbeitgebende auf, macht Auflagen und verhängt Bußgelder. „Wo die Bereitschaft besteht, finden wir einen konstruktiven Ansatz. Wir wollen ja keine verbrannte Erde hinterlassen“, erklärt Marianne Nieporte, die dort die Leitbranche Bau koordiniert, in einem Interview. So wie in Hamburg haben Beschäftigte in jeder Stadt und Gemeinde die Möglichkeit, die Gewerbeaufsicht oder Arbeitsschutzbehörde zu informieren, wenn sie ihre Sicherheit und Gesundheit im Job nicht ausreichend gesichert sehen – auch anonym beziehungsweise ohne dass die Quelle der Information gegenüber dem Unternehmen preisgegeben werden muss.

Zunächst sollte jedoch eine innerbetriebliche Lösung gesucht werden, wie Psychologin Hannah Huxholl erklärt, die beim Referat „Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren“ für die DGUV tätig ist: „Am Arbeitsplatz sind Führungskräfte, Kolleginnen und Kollegen erste Ansprechpersonen. Oft hilft schon ein Gespräch, um Lösungsideen zu entwickeln. Darüber hinaus können Betriebs- und Personalräte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und arbeitsmedizinische Dienste hinzugezogen werden. Je nach Thema können auch Sicherheitsbeauftragte Verbindungen knüpfen und etwas ins Rollen bringen. Letztlich ist die Corona-Epidemie für alle Beteiligten eine psychische Belastung. Das sollte weder bei solchen Gesprächen noch bei der Gefährdungsbeurteilung vergessen werden.

Text: DGUV | 3.2.2021