topeins 1/2024

V erfressene Teams sind häufig und leicht an den Mengen von Süßigkeiten zu erkennen, die sie zum Teil offen, aber auch versteckt horten. Übliche Lagerplätze sind dabei in Großraumbüros Schüsseln (zum Teil sehr große) auf den als Raumteiler ge- nutzten Schränken. Als Variante zeigt sich das Lager auf einzelnen Schreib- tischen ausgewählter, zuverlässiger Kolleginnen und Kollegen. Selten in Büroküchen, da diese zu leicht für fremde Teams zugänglich sind. Meist handelt sich es sich um Vorräte von Schokolade, Fruchtgummi, Bon- bons, die mit großer Sorgfalt und akri- bisch geführten Mitbringlisten reihum aufgefüllt werden. Dabei helfen Ge- burtstagslisten und sämtliche saisonale Anlässe wie große Feiertage (Schoko- weihnachtsmänner, -osterhasen). Weit entwickelte Teams haben hier solche Listen gar nicht mehr nötig, brauchen auch nicht besondere Anlässe, sondern besitzen das nötige Feingefühl und den ständigen Drang, eigentlich jederzeit und ohne speziellen Auftrag („Du bist jetzt dran!“) nachzulegen. Eine heimliche, aber starke These von mir ist, dass die Menge an Süßigkeiten, Unsere Kolumnistin ist bisher ungenutzten Instrumenten der Teamdiagnostik auf der Spur, auf die sie über das Thema „Stressbewältigung über den Blutzuckerspiegel“ gestoßen ist. gemessen in Pfund, ein Ausdruck des aktuellen oder ständigen Stresslevels ist. 100 Gramm Süßes je 10 Mitarbei- tende = Stressstufe 1, 1 Kilogramm je 10 Mitarbeitende = Stressstufe 5, usw. Diese These wird allerdings von Teams unterminiert, die immer futtern. Teameigenschaf ten, die weiterhin diagnostisch daraus abzuleiten sind: ein hoher Grad an Organisationsfähig- keit, Zuverlässigkeit in Logistik, große Fachkenntnisse über sinnlose Diäten und Sonderangebote der hiesigen Dis- counter, aber auch ausgeprägte Kom- munikationsfähigkeit. Das gilt insbe- sondere in der Nähe der Schüsseln und über Rezepte, Küchengeräte und seltene Zutaten. Des Weiteren gehören dazu ein starker Gerechtigkeitssinn sowie Inno- vationskraft und Einfallsreichtum be- züglich guter Verstecke („Frau König, jetzt zeigen wir Ihnenmal den geheimen Schrank am Ende des Flurs!“). In zu stark ausgeprägter Form zeigt sich eine gewisse Zwanghaftigkeit bezüg- lich zum Beispiel dem Anfertigen von Geburtstagskuchen. In einem Team- workshop wurde einmal sehr lang das Thema „Wie feiern wir Geburtstag?“ be- handelt. Dahinter verbarg sich auf der Beziehungsebene, inwiefern die immer mehr werdenden, jüngeren Neuzugän- ge sich an das langjährige, ausgefeil- te Geburtstagsfeierritual inklusive des Mitbringens zweier selbst gebackener Kuchen zu unterwerfen hatten. Eine Weiterentwicklung des verfresse- nen Teams ist leicht über gemeinsame Mittagessen oder Teamtage in Restau- rants, Kochschulen oder in der Erleb- nisgastronomie möglich. Hauptsache, es gibt mehr als genug zu essen. Von einer Teamdiät, also dem diktatori- schen Entfernen der Schüsseln, rate ich Führungskräften jedenfalls drin- gend ab. Auch das strenge Abschaffen von Frühstücksrunden könnte sich als hochschädlich erweisen. Die negativen Auswirkungen auf die zarte Seele die- ser oft fröhlichen und kommunikativen Teams wären mit demNutzen ... ja, wel- chemNutzen eigentlich? Guten Appetit! Und ewig lockt das Süße Illustration: raufeld Imke König ist Diplom-Psycho- login, Psychotherapeutin und Coachin. In ihrer topeins - Kolumne gibt sie Tipps für den Führungsalltag und berichtet von ihren Beobachtungen aus der wilden Arbeitswelt. Die Kolumnen im Überblick: topeins.dguv.de/ kolumne 30 SERVICE top eins 1 | 2024

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