topeins 1/2021

N och vor einem Jahr hatte mancher Beschäftigte sei- nen Schreibtisch im Büro fast wie ein Wohnzimmer einge- richtet: Hier die Familienfotos, da die Stamm-Kaffeetasse und neben dem Bildschirm noch eine Topf- pflanze. In der Pandemie wurde für viele, die eine Bürotätigkeit ausüben, das heimische Wohn- zimmer zum Büro. Unternehmen und Einrichtungen stellten in der ersten Homeoffice-Phase fest: Der Produktivität schadet es nicht. Sie wollen darum auch nach der Corona-Krise zumindest teilweise weiter auf Konzepte der mobilen Arbeit und Telearbeit setzen. Eine Idee, die bereits manchmal umgesetzt wurde, ist die der „Flying Desks“. Dabei wird ein Büroarbeitsplatz jeweils tage- oder stundenweise von verschiedenen Beschäftigten genutzt. Die übrige Arbeitszeit verbringen die Beschäf- tigten weiterhin am heimischen Schreibtisch. Dr. Marlen Cosmar, Arbeitspsychologin am Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG), erklärt, wel- che Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit das Konzept für alle Beteiligten funktioniert: „Wichtig ist, dass die Führungskraft den Bedarf an Arbeitsplätzen realistisch abdeckt, sodass alle, die ins Büro kommen möchten, auch die Möglichkeit dazu haben.“ Es könn- ten immer Situationen entstehen, in denen Beschäftigte plötzlich unerwartet auf den Arbeitsplatz im Büro an- gewiesen seien, etwa wenn Handwerkerarbeiten das Arbeiten daheim unmöglich machen. „Darum sollten Führungskräfte lieber einen Puffer einplanen, sodass im Normalfall immer ein paar Schreibtische leer blei- ben.“ Darüber hinaus seien Buchungssysteme wichtig, über die die Beschäftigten vorab erkennen können, wie viele Plätze noch frei sind, sagt Cosmar. Es sei eine Typfrage, wie gut sich Einzelne mit dem Sys- tem der Flying Desks anfreunden könnten, so die Psy- chologin weiter. „Für die eine Person ist es besonders wichtig, ihremArbeitsplatz eine persönliche Note zu ge- ben, der anderen ist das komplett egal. Sie schätzt da- für einen aufgeräumten Schreibtisch mehr.“ Für erste- re Gruppe könnten abschließbare Rollwagen eine Möglichkeit sein, persönliche Gegenstände sicher im Büro aufzubewahren und dann an den jeweiligen Arbeitsplatz zu ho- len. Denn beim System der Flying Desks gilt: AmEnde des Arbeitsta- ges wird ein komplett aufgeräum- ter Schreibtisch für den nächsten Kollegen oder die nächste Kollegin zurückgelassen. Auch technisch muss ein Unter- nehmen entsprechend gut ausge- rüstet sein, um den Beschäftigten den Arbeitsalltag an wechselnden Schreibtischen un- kompliziert zu ermöglichen. „Am einfachsten funktio- niert das System mit Dockingstations und Laptops, da Beschäftigte hierbei sofort ihre gewohnte Desktop-Um- gebung vor sich haben“, so Cosmar. Etwas komplexer sei es, wenn Beschäftigte lediglich persönliche Accounts in den Betriebssystemen und Programmen haben, mit denen das Unternehmen arbeitet. Denn dann braucht es eine technische Lösung dafür, wo Dateien gespei- chert werden, die nur einzelne Beschäftigte verwenden. Für einen Teil der Beschäftigten könnten technische Fragen zunächst eine Herausforderung darstellen. „Vor- gesetzte sollten deswegen dafür sorgen, dass immer ein Team für technische Fragen vor Ort ist, das kurzfristig helfen kann“, rät Cosmar. Die wechselnden Schreib- tische haben aber auch Vorteile, wie die Arbeitspsy- chologin betont: „Man kommt mit anderen Kollegin- nen und Kollegen als sonst ins Gespräch, die Teams durchmischen sich besser.“ Dennoch sollten Vorgesetzte bedenken, dass sich gerade langjährig Beschäftigte mit der Veränderung schwer- tun könnten. Oberste Maxime sei es darum, mit allen von der Veränderung Betroffenen in gutem Austausch zu bleiben, um auf mögliche Unzufriedenheit entspre- chend reagieren zu können. Wichtig ist, dass die Führungskraft den Be- darf an Arbeitsplätzen realistisch abdeckt, sodass jeder, der ins Büro kommen möchte, auch die Möglichkeit dazu hat. Dr. Marlen Cosmar Arbeitspsychologin Informationen der DGUV zur Arbeitswelt 4.0: ww w.dguv.de/ de/praevention/ arbeitenvierpunktnull 1 | 2021 top eins NEW WORK 21

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