topeins 1/2021

1 | 2021 top eins GESUND BLEIBEN 25 Herr Prof. Dr. Stengel, was versteht die Medizin unter funktioneller Dys­ pepsie? Wie unterscheidet sie sich von einfachen Magenbeschwerden? Wir sprechen von einer funktionellen Dyspepsie, auch Reizmagensyndrom genannt, wenn Beschwerden im oberen Bauchbereich vorliegen, die über einen längeren Zeitraum anhalten und als be- einträchtigend erlebt werden. Wichtig ist also zumeinen der Zeitraum. Dass einem mal der Magen vor einer Prüfung grum- melt – so etwas kennt jeder. Das hat aber nichts mit einer funktionellen Störung zu tun. Zum anderen gibt es beim Reizma- gensyndromkeine ausreichende körperli- che Erklärung für die Beschwerden. Ist funktionelle Dyspepsie also eher eine psychosomatische Erkrankung? BeimReizmagensyndrom kann es zwar durchaus zu entzündlichen Reaktio- nen im Magen- und Dünndarmbereich kommen, die ein Grund für einen Teil der Beschwerden sein können. Diese sind allerdings vom Ausmaß her nicht sehr ausgeprägt. Genau deswegen ist bei einer funktionellen Dyspepsie die Aus- schlussdiagnostik wichtig. Wir müssen also zum Beispiel erst eine Magenspie- gelung und einen Ultraschall gemacht haben, um klare somatische Erkran- kungen, wie eine Magenschleimhaut- entzündung oder auch eine bösartige Erkrankung, ausschließen zu können. Erst dann könnenwir die Diagnose Reiz- magensyndrom stellen und uns anderen möglichen Ursachen und Therapiemög- lichkeiten zuwenden. Und was sindmögliche Ursachen für eine funktionelle Dyspepsie? Da gibt es ganz unterschiedliche Fakto- ren. Am besten zusammengefasst wer- den können diese in einem sogenannten biopsychosozialen Krankheitsmodell. Unter die biologischen Faktoren fällt zum Beispiel die Genetik oder das Ge- schlecht. So sind Frauen etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Und dann gibt es eben auch die äußeren Umstän- de. Wir wissen beispielsweise, dass so- wohl akuter als auch chronischer Stress, unregelmäßige Mahlzeiten oder Niko- tinkonsum Risikofaktoren sind. Führungskräfte stehen häufiger un­ ter Stress. Sind sie daher besonders gefährdet? Ich würde das nie monokausal sehen. Stress ist zwar ein entscheidender Fak- tor, doch meistens zieht dieser Stress auch weitere Dinge nach sich. Wer auf- grund von Zeitnot und Zeitdruck unter Stress steht, ernährt sich zum Beispiel oft unregelmäßig und damit ungesund, lässt Mahlzeiten eventuell komplett ausfallen oder greift mitunter zur Beru- higung eher zu Zigaretten und Alkohol, wodurch das Risiko einer Erkrankung weiter steigt. Oft gibt es beim Reizma- gensyndrom also nicht die eine Ursa- che. Stattdessen kommt es zu einer Ku- mulation von verschiedenen Faktoren, die dann den Nährboden für eine sol- che Erkrankung bereiten können. Menschen, die häufig Schmerzen im Oberbauch und ein frühzeitiges Sättigungsgefühl verspüren, leiden eventuell an funktioneller Dyspepsie . Akuter oder chronischer Stress könnten die Ursache sein. VON JULIEN HOFFMANN Prof. Dr. med. An­ dreas Stengel ver­ antwortet am Unikli­ nikum Tübingen den ambulanten Bereich der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psy­ chotherapie. Verena Müller, UKT Stress kann auf den Magen schlagen, daher ist ein wenig Entspannung zwischendurch sehr wichtig. Getty Images/seb_ra >>

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