topeins 2/2022

E s geht hier nicht um Durchfall oder Kopfbrausen oder schreck- liche Halsschmerzen. Um Oh- renflattern oder Nasenbeben. Und es geht auch nicht um die zum dritten Mal verblichene Großmutter, deren mehrfaches mirakulöses Dahinschei- den es Ihrem Mitarbeiter oder Ihrer Mitarbeiterin leider unmöglich macht, wie versprochen die neuen Auszubil- denden einzuarbeiten. Es geht um wichtige Neuentdeckungen, die ich bislang nicht in der wissenschaftli- chen Welt unterbringen konnte, die mir aber bei der Beratung von Füh- rungskräften begegneten. „Morbus Sella antiquiaa“ oder auch „Morbus stuhlensis“ ist eine davon: die übergroße Liebe zu einem völlig ver- alteten Bürostuhl. Der Umzug in neue Büroräume – an sich schon Grund ge- nug, psychisch schweren Schaden zu erleiden – führte hier bei einer Mitar- beiterin dazu, sich Hilfe suchend an ihre Führungskraft zu wenden. Unbe- dingt müsse der alte Stuhl ihr erhalten bleiben, keinen Tag würde sie es auf den neuen (top ergonomischen) Stüh- len aushalten. Die konsternierte Füh- rungskraft verwies zu Recht darauf, dass sich die Mitarbeiterin bitte selbst darum kümmern möge, das gute Stück beim Umzug zu retten. Die findige Lei- Imke König zeigt uns die Welt der unerforschten Krankheiten, von der auch Beschäftigte ihren Führungskräften immer wieder berichten. Das Allheilmittel Humor sollten diese dabei nie vergessen. dende brachte den Stuhl daraufhin – in deren Abwesenheit – im Raum der Führungskraft unter. Das Überschrei- ten von Schicklichkeitsgrenzen und Grenzen des allgemeinen gesunden Menschenverstandes gehören hier unbedingt mit zum Symptomkomplex, sind aber differentialdiagnostisch nicht ausreichend. Auch „Odeur mauvais tapis“ (OMT) wurde bisher vergeblich untersucht, ist mir aber schon diverse Male begegnet: Ein Team muss umziehen. Garantiert leidet ab sofort ein Teil der Betroffe- nen im neu bezogenen Zimmer unter dem vom Teppich ausgehenden rätsel- haften, üblen bis stechenden Geruch. Sämtliche Untersuchungen durch den Betriebsärztlichen Dienst oder die Fachkraft für Arbeitssicherheit blei- ben ergebnislos. Wenn es ganz arg kommt, bringt ir- gendjemand die Diagnose „Multiple Chemical Sensitivity“ ins Spiel – eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber chemischen Substanzen, die es wirk- lich gibt. Ich gebe zu, dass in einem Fall tatsächlich ein totes Tier im Dach- gebälk vermoderte. Die anderen fünf bis zehn Fälle von OMT konnten leider bisher nicht aufgeklärt werden. Dies gelang jedoch bei der sehr selte- nen Erkrankung „Pallor gravibus ab- normus“. In den Büroräumlichkeiten einer alten Fabrik traten immer wie- der Fälle von krankhafter Blässe auf. Die Belegschaft vermutete aufgebracht, dass „etwas aus den alten Fabrikwän- den“ herausdünstete. Die Krankheits- fälle konnten durch das Wechseln der Glühbirne in der Damentoilette dras- tisch gesenkt, ja sogar völlig zum Erlie- gen gebracht werden. Ein Fall vonWun- derheilung. Denken Sie immer daran: Ich habe es nach 15 Jahren Beratungen undWorkshops in der Verwaltung nicht nötig, etwas zu erfinden. Von Morbus Sella und anderen rätselhaften Krankheiten Imke König ist Diplom- Psychologin, Psycho- therapeutin und Coach. In ihrer top eins -Kolumne gibt sie Führungskräften Tipps für eine ausge­ wogene Work-Life-Balance und effizientes Stressmanagement. Illustration: Raufeld Medien 30 SERVICE top eins 2 | 2022

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