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Gesundes Gehör im Orchester: Schutz vor dem Fortissimo
Besonders Schlaginstrumente wie die Pauke können mit ihrer Lautstärke das Gehör auf die Dauer schädigen. © AdobeStock/furtseff

Gesundheitsschutz : Gesundes Gehör im Orchester: Schutz vor dem Fortissimo

Lärmschutz ist für Musizierende im Orchester ein wichtiges, oft unterschätztes Thema. Führungskräfte sollten sich umfassend beraten lassen.

Die Streicher steigen mit der schwungvollen Auftaktmelodie ein, bald darauf fügen sich Flöte und Fagott in ein harmonisches Ganzes – die 40. Sinfonie von Mozart ist immer wieder ein Hörgenuss fürs das Publikum des Bonner Beethoven Orchesters. Ganz sicher würde niemand die Musik als Lärm bezeichnen.

Für das Gehör der Musizierenden jedoch stellt die Lautstärke ihrer eigenen und der Nachbarinstrumente auf die Dauer eine Gefahr dar: Sie müssen im Sinne des Arbeitsschutzes bei Proben und Konzerten vor Gesundheitsschäden durch den hohen Geräuschpegel geschützt werden.

Liegt dieser gemittelt über acht Stunden höher als 85 Dezibel (dB(A)), kann sich eine dauerhafte Hörminderung entwickeln. Insbesondere für Menschen, die beruflich auf ihr gutes Gehör angewiesen sind, wäre das eine folgenreiche Einschränkung.

Risiko des Hörschadens

„Führungskräfte sind verpflichtet, Gehörschutz anzubieten und zu kontrollieren, dass die Beschäftigten ihn auch nutzen“, betont Dr. Sandra Dantscher, Sachgebietsleiterin Gehörschutz beim Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA). Wie wichtig das ist, verdeutlicht ein Blick in die Statistik der Berufskrankheiten – hier liegt Lärmschwerhörigkeit seit mehreren Jahren auf einem der vorderen Plätze.

Zunächst sollten Führungskräfte deshalb eine Gefährdungsbeurteilung erstellen. Das hat auch Michael Horn, Direktor des Bonner Beethoven Orchesters, getan. „Mit dem Thema Gehörschutz beschäftige ich mich schon sehr lange“, sagt Horn. Seit Inkrafttreten der Lärmvibrationsschutzverordnung im Jahr 2008 lässt er sich regelmäßig zu baulichen Maßnahmen zum Schutz der Orchesterbelegschaft beraten.

„Dafür haben wir den Orchestergraben in der Konzerthalle bereits vermessen, einige Stufen entfernt und schallabsorbierenden Schaumstoff angebracht“, erklärt der Orchesterdirektor. Dabei bestehe die Herausforderung, dass der Schall zwar das Gehör der Musizierenden möglichst unbeschadet lassen soll, zugleich aber die gute Akustik für das Publikum erhalten bleibt. Horn: „Um die Akustik zu unterstützen, wurden Diffusoren um den Bühneneingang angebracht und eine Nachhallanlage für den Saal eingebaut.“

Mehrere Musikerinnen und Musiker eines Orchesters proben in einem großen Raum. Eine junge Frau steht und hält zwei Paukenschläger in die Luft. Der Dirigent macht Gesten.
Eine Herausforderung beim ­Gehörschutz: Nachbar­instrumente müssen gut zu ­hören sein. © nodesign

Gehörschutz: Aufgaben für Führunsgkräfte

  • Gefährdungsbeurteilung erstellen und aktualisieren: Führungskräfte müssen schon bei einem gemittelten wöchentlichen Expositionspegel von 80 dB(A) individuellen Gehörschutz für die Beschäftigten anbieten. Ab 85 dB(A) müssen sie die Anwendung auch kontrollieren.
  • Beschäftigte unterweisen: Nur wer gelernt hat, wie die per­sönliche Schutzausrüstung zu benutzen ist, kann sich effektiv vor Hörschäden schützen
  • Auf Skepsis reagieren: Vor allem langjährige Beschäftigte können mit neuen Regelungen manchmal wenig anfangen. Im Einzelgespräch lässt sich leichter eine Lösung finden.
  • Alternativen anbieten: Wenn Beschäftigte eine Oto­plastik nicht tragen möchten, kommt ein Hearwig als Alter­native infrage.
  • Regelmäßig informieren: Durch Schulungen oder kurze Wiederholungen der Unterweisung ist das Wissen über Lärmprävention schnell aufgefrischt. Zudem bekommen Beschäftigte die Gelegenheit, Fragen zu stellen.

Musikpegel mindern, ohne dass die Kommunikation leidet

Daneben versucht der Orchesterdirektor, sein Orchester auch durch eine gute Organisation zu schützen – etwa durch ausreichend Abstand zwischen den Musizierenden. Diese Schutzmaßnahme habe aber ihre Grenzen: „Die Musikerinnen und Musiker müssen ja auch zusammenspielen und sollen nicht nur einzeln zu hören sein.“

Auch mobile Plexiglaswände helfen den Musizierenden bei Proben, sich vor dem Lautstärkepegel anderer Instrumente zu schützen. Hierbei sei es wichtig, die Beschäftigten vorher genau zu unterweisen, wie die Wände aufzustellen sind. Sonst könnten Fehler wie der folgende passieren: „Ein neu dazugekommener Musiker hat einmal wohlmeinend mehrere Wände rund um die Pauke aufgestellt – das verstärkt dann für den Pauker selbst natürlich leider den Lärm erheblich“, sagt Michael Horn.

Außerdem kann es die Verständigung untereinander stören. „Die Schalldämmung sollte auch nicht zu hoch sein, damit zum Beispiel auch die Kommunikation mit Dirigierenden und Mitspielenden ohne Anstrengung möglich ist“, ergänzt Dantscher.

Bewusstsein für Lärm- und Gehörschutz ist gestiegen

Als letzte Schutzmaßnahme nach technischen und organisatorischen bleibt der persönliche Gehörschutz für die Musizierenden. Bei individuell angefertigten Otoplastiken habe sich in den vergangenen Jahren viel getan, sagt Horn, sie seien individueller anpassbar und würden von den Tragenden als weniger störend empfunden.

Zugleich sei aber auch das Bewusstsein für die Bedeutung von Gehörschutz gestiegen: „Vor einigen Jahren hörte ich von älteren Musikern noch oft den Satz: Damit kann ich nicht spielen‘“, erinnert sich der Orchesterdirektor. „Für die Musikerinnen und Musiker, die heutzutage von der Hochschule kommen, ist Gehörschutz ganz selbstverständlich.“ Das sei umso wichtiger, als auch die gespielten Stücke tendenziell eher lauter würden, wie Horn erklärt: „Es werden immer mehr Cross-over-Werke auf die Bühne gebracht, die teils viel Schlagzeug enthalten.“

Wer im Probenalltag mit einer Otoplastik gar nicht zurechtkomme, könne sich mit einem sogenannten Hearwig behelfen, erklärt Michael Horn. Das ist eine Halbschale, die sich wie ein Notenständer hinter dem Kopf des Musizierenden aufstellen lässt. Während eigener Spielpausen kann sich die Person mit dem Kopf in die Schale lehnen und schont so ihr Gehör.

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Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen

Um den Lärmexpositionspegel zu bestimmen, empfehle es sich, einen repräsentativen Zeitraum zu betrachten, so Sandra Dantscher. Denn schließlich üben Musizierende nicht jeden Tag gleich lang, und auch die zu spielenden Stücke können in der Lautstärke stark variieren.

Die Führungskraft müsse zudem für regelmäßige arbeitsmedizinische Untersuchungen sorgen und individuellen Gehörschutz anbieten. „Ein wesentlicher Aspekt ist die Frequenzabhängigkeit der Schalldämmung – je gleichmäßiger die Dämmkurve über die Frequenz verläuft, desto natürlicher ist die Klangwahrnehmung“, so Dantscher.

Beim Bonner Beethoven Orchester wird noch in diesem Jahr ein Ingenieursbüro die aktuellen Lärmpegel messen: im Probenraum und im Orchestergraben. Damit das Gehör der Musizierenden bestmöglich geschützt werden und das Publikum gleichzeitig die schönen Klänge der gespielten Werke genießen kann.