Arbeitssicherheit : Was tun bei betriebsinterner Gewalt?
Gewalt gibt es auch innerhalb der Belegschaft. Führungskräfte sollte das alarmieren, meint Dr. Holger Pressel, Leiter der Stabsstelle Politik, Verbände & Gremienmanagement der AOK Baden-Württemberg, – müssen sie sich doch selbstkritisch fragen, ob sie das nicht hätten verhindern können. Pressel beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Gewalt am Arbeitsplatz und hat seine Erkenntnisse in einem Buch veröffentlicht.
Herr Pressel, wenn jemand Gewalt durch Kolleginnen oder Kollegen erlebt, denken viele wohl direkt an Mobbing. Zu Recht?
Tatsächlich zeigt sich hier eine große Bandbreite: Mobbing, aber auch Beleidigung, Kränkung, Diskriminierung, Stalking bis hin zu sexuellen Übergriffen und körperlicher Gewalt kommen unter Kolleginnen und Kollegen vor. Interessant ist, dass bei Gewalt durch betriebsinterne Personen Opfer nicht selten selbst zu Täterinnen und Tätern werden – und das schlägt sich häufig in körperlicher Gewalt nieder.
Warum ist das so?
In aller Regel können wir bei Betroffenen von betriebsinterner Gewalt eine Kombination von zwei Faktoren beobachten: Demütigungen am Arbeitsplatz einerseits und eine instabile Phase im Privaten andererseits. Wenn jemand von Kolleginnen oder Kollegen gemobbt wird, ist das sehr belastend.
Wer ein intaktes soziales Umfeld hat – eine Beziehung, einen Freundeskreis –, kann dieses Negativerlebnis kompensieren. Wenn das fehlt, entsteht eine toxische Mischung. Dann kann es passieren, dass sich die Opfer wehren oder gar an ihren Peinigern rächen wollen.
„Eine klare Haltung gegen Gewalt kann die Lösung sein.“
Was genau können Führungskräfte tun, um Gewalt unter ihren Beschäftigten zu vermeiden?
Wie bei der Prävention von Gewalt durch betriebsfremde Personen ist auch bei Gewalt durch Betriebsinterne eine gelebte Null-Toleranz-Strategie unabdingbar. Das bedeutet, dass Gewalt unbedingt sanktioniert werden muss. Wenn jemand durch einen Kollegen oder eine Kollegin beleidigt, bedroht oder diskriminiert wird, muss das Folgen haben.
Betriebsfernen kann man Hausverbot erteilen oder den Fall zur Anzeige bringen. Welche Möglichkeiten gibt es bei Beschäftigten?
Hier sind niedrigschwellige Sanktionen empfehlenswert. Führungskräfte können deutlich kommunizieren, dass sie ein solches Fehlverhalten nicht dulden. Schon laut zu sagen „So nicht!“, kann große Wirkung haben.
Darüber hinaus können Führungskräfte Abmahnungen aussprechen oder sich gar von Mitarbeitenden trennen. Auf keinen Fall sollten sie sich an Mobbing oder Lästern beteiligen, also zum Beispiel mitlachen, wenn sich jemand über eine Kollegin oder einen Kollegen lustig macht. Dadurch würde die Führungskraft eine Kultur der Gewalt fördern.
Der Führungskraft kommt also eine Schlüsselrolle zu?
Wenn es innerhalb der Kollegenschaft zu Gewalt kommt, müssen sich Führungskräfte fragen, wie und warum das passieren konnte – und sich dabei an die eigene Nase fassen. Denn solche Vorfälle haben immer etwas mit Führungsstil und Betriebskultur zu tun. Sie müssen sich fragen: Was habe ich persönlich falsch gemacht? Eine klare Haltung gegen Gewalt kann die Lösung sein.