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Frisch verantwortlich
Neue Führungskräfte gehen meist mit viel Enthusiasmus und eigenen Ideen an ihre Führungsrolle heran. Bei einigen Aufgaben benötigen sie jedoch Unterstützung. © Getty Images/Delmaine Donson

Arbeitssicherheit : Frisch verantwortlich

Wenn Beschäftigte erstmals Führungskraft werden, übernehmen sie viele neue Aufgaben. Wie wichtig der Arbeitsschutz in ihrer neuen Rolle ist, unterschätzen viele.

Wer das erste Mal verantwortlich führt, steht vor einer großen Aufgabe – und ist im Idealfall gut darauf vorbereitet. Doch in der Praxis gelingt das nicht immer. Ein Stimmungsbild: Bei einer nicht repräsentativen Umfrage auf topeins.dguv.de bewerteten mehr als die Hälfte der 76 Teilnehmenden die eigene Einarbeitung nur als ausreichend bis ungenügend.

Vor allem Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz kamen nach Meinung der Befragten zu kurz. 56 Prozent von ihnen gaben an, dass sie in ihre Aufgaben im Arbeitsschutz gar nicht eingearbeitet wurden. Weitere 27 Prozent wurden darin zwar eingearbeitet, aber ihrer Meinung nach unzureichend.

Das ist besorgniserregend. Denn in den meisten Unternehmen und Einrichtungen ist es üblich, dass die im Arbeitsschutzgesetz benannten Verantwortlichkeiten für Sicherheit und Gesundheit von Arbeitgebenden an die Führungskräfte delegiert werden.

Praxistipp

Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) stellt auf ihrer Website ein Musterformular zur Pflichtenübertragung unter „Praxishilfen“ bereit.

Pflichtenübertragung schriftlich regeln

„In vielen Fällen werden diese übertragenen Pflichten versteckt im Arbeitsvertrag weitergereicht“, sagt Sieglinde Ludwig, Leiterin der Abteilung „Gesundheit im Betrieb“ der DGUV. So werde die vorgeschriebene Schriftform gewahrt. „Aus Transparenzgründen sollte dies aber unabhängig vom Vertrag schriftlich geregelt werden.“ Am besten wäre es sogar, es bereits in die Stellenausschreibung aufzunehmen.

Zu den Aufgaben, die Führungskräfte im Arbeitsschutz übernehmen, gehört die Gefährdungsbeurteilung. Sie ermittelt mögliche physische und psychische Gefährdungen für Beschäftigte und die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen. Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung sind zu dokumentieren und regelmäßig zu prüfen. Die Beschäftigten müssen darüber hinaus über etwaige Gefährdungen unterrichtet und im sicheren Umgang mit Arbeitsabläufen und Arbeitsmitteln unterwiesen werden.

Das gelingt nur, wenn sich junge Führungskräfte mit diesen Inhalten auseinandersetzen und in der Lage sind, sie ihren Beschäftigten zu vermitteln. „Arbeitgebende sollten daher neue Führungskräfte nicht nur nach fachlichen Kriterien auswählen, sondern auch aufgrund ihrer sozialen Kompetenzen“, rät Dr. Just Mields vom DGUV-Sachgebiet Psyche und Gesundheit in der Arbeitswelt. Sie bräuchten Reflexionsvermögen und Empathie, dürften aber auch nicht konfliktscheu sein. Außerdem sind gute kommunikative Fähigkeiten gefragt.

Checkliste für neue Führungskräfte

1. Vorbild sein. Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion – auch bei der Arbeitssicherheit und im Gesundheitsschutz. Wenn sie selbst sicheres und gesundheitsförderliches Verhalten vorleben, hat dies Signalwirkung.

2. Behutsam kommunizieren. Es gibt nicht die eine Form der Ansprache, die alle Beschäftigten gleich gut erreicht. Deswegen bietet sich situative Führung an, die auf Umstände und individuelle Bedürfnisse eingeht. So können zum Beispiel erfahrene Beschäftigte meist sehr selbstständig arbeiten, während jüngere Arbeitskräfte oft mehr Unterstützung benötigen. Wichtig sind Gesprächsangebote und eine Politik der offenen Tür für spontanen Austausch.

3. Wissen weitergeben. Führungskräfte tragen Informationen ins Team – das sollte auch für Gesundheitsthemen gelten. Gibt es zum Beispiel eine Betriebliche Gesundheitsförderung, ein Betriebliches Gesundheitsmanagement oder ein Employee Assistance Program, sollten Führungskräfte ihre Beschäftigten darüber informieren.

Eine ältere und eine junge Frau gehen nebeneinander durch einen Flur. Sie schauen gemeinsam auf ein Tablett.
Junge Führungskräfte können von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen lernen. Den Austausch sollte das Unternehmen fördern. © GettyImages/Portra

Unterstützung durch erfahrene Führungskraft

Werden Führungspositionen neu besetzt, gilt es, potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten frühzeitig auf die neue Rolle vorzubereiten. „Unternehmen und Einrichtungen sollten möglichst über ein Führungskräfte-Entwicklungskonzept verfügen“, meint Mields. Zu diesem gehören transparente Informationen zu den Anforderungskriterien, Qualifizierungsangeboten und dem Auswahlprozess. So können sich Beschäftigte entscheiden, ob eine Führungsaufgabe für sie infrage kommt, so der Arbeitspsychologe.

Sieglinde Ludwig empfiehlt zudem, potenziellen neuen Führungskräften frühzeitig Fortbildungen anzubieten, damit sie an künftige Aufgaben herangeführt werden könnten. Dabei sei eine Mischung aus internen und externen Fortbildungen gut. Das habe den Vorteil, dass sowohl das eigene Unternehmen in den Blick genommen wird als auch Impulse von Teilnehmenden aus anderen Einrichtungen hinzukommen, die den eigenen Horizont erweitern können.

Mentorenprogramm kann helfen

Zur Rolle von Führungskräften im Arbeitsschutz bieten Berufsgenossenschaften und Unfallkassen regelmäßig Seminare und Workshops an. Idealerweise erhalten junge Führungskräfte in ihrer Einarbeitungsphase zudem Hilfe von einer erfahrenen Führungskraft.

Das kann etwa mit einem Mentorenprogramm gezielt gefördert werden. „Idealerweise kommen Mentorin oder Mentor nicht aus der gleichen Abteilung, damit auch Fragen zum Umgang mit Vorgesetzten leichter angesprochen werden können“, empfiehlt Mields.

Schulungen finden

Das Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) bietet ein breit gefächertes Bildungsprogramm zu Themen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes.

Die Unfallkassen bieten bereichsübergreifende und betriebsartenspezifische Seminare an – sie sind meist auf den jeweiligen Websites unter „Seminare“ zu finden.

Früh intern Kontakte zu anderen Beauftragten knüpfen

Neue Führungskräfte stehen mit den Aufgaben des Arbeitsschutzes aber nicht allein da. Während der Einarbeitung ist es ratsam, mit den anderen handelnden Personen in Kontakt zu treten. „Sich in den ersten Wochen mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit und den Sicherheitsbeauftragten auszutauschen, ist wichtig. Es stärkt den eigenen Kompetenzausbau und sensibilisiert für die Unfallgefahren und den Arbeitsschutz im Unternehmen.

Für Fragen, die arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren betreffen, ist zudem der arbeitsmedizinische Dienst eine wichtige Anlaufstelle“, sagt Ludwig.Insgesamt fällt es Nachwuchsführungskräften umso leichter, ihre Rolle im Arbeitsschutz auszufüllen, wenn eine Präventionskultur bereits zum Leitbild des Unternehmens oder der Einrichtung gehört.