Arbeitssicherheit : „Betriebe müssen sich klar für Verkehrssicherheit aussprechen“
Herr Doepke, warum engagiert sich die gesetzliche Unfallversicherung überhaupt für das Thema Verkehrssicherheit?
Verkehrsunfälle sind oft sehr schwerwiegend – für Betroffene und Angehörige, aber auch für Betriebe. Und: sie sind für einen Großteil der schweren Unfälle verantwortlich – sowohl bei der Arbeit als auch auf dem Weg dorthin. Vierzig Prozent der unfallbedingten Todesfälle und ein Fünftel der Unfälle, die zu bleibenden Behinderungen führen, gehen auf Verkehrsunfälle zurück – und machen einen nicht unerheblichen Teil der Fälle für die gesetzliche Unfallversicherung aus. Unser Ziel ist die Vision Zero. Die spricht für sich.
Wie wollen die Unfallversicherungsträger diese Zahlen denn senken?
Wir gehen das aus unterschiedlichen Richtungen an. Zum Beispiel bieten viele Unfallversicherungsträger den Mitgliedsbetrieben an, Fahrsicherheitstrainings für die Beschäftigten zu bezuschussen. Wir engagieren uns aber auch in der Forschung. So wird beispielsweise dazu geforscht, wie Ablenkung im Straßenverkehr passiert und wie sie sich auf die Unfallzahlen auswirkt. Das ist seit dem Aufkommen von Smartphones ein großes Thema geworden. Außerdem sprechen Unfallkassen und Berufsgenossenschaften die Unternehmen direkt an, um Sicherheit noch weiter zu verankern.
Es sitzt aber ja jeder alleine am Steuer oder auf dem Rad: Wie können Betriebe trotzdem Einfluss nehmen?
Wenn man nur sagt, dass jeder selbst verantwortlich ist, macht man es sich zu einfach. Wie wir uns im Verkehr verhalten, hat viel mit der Kultur zu tun, in der wir uns bewegen. Wir brauchen Betriebe, die ihren Beschäftigten sagen: Es ist uns wichtig, dass ihr vorsichtig fahrt oder auf dem Rad einen Helm aufzieht. Es gibt aber Unternehmen, da gilt es als „unmännlich“, einen Schutzhelm zu tragen oder den Sicherheitsgurt anzulegen. Ob der Chef oder die Chefin das bestärkt, ignoriert oder aber sagt: „Das toleriere ich nicht“, macht für die Kultur im Unternehmen einen großen Unterschied. Als gesetzliche Unfallversicherung setzen wir da mit der Kampagne kommmitmensch an.
Wie geht denn die Kampagne kommmitmensch auf Verkehrssicherheit ein?
Seit Juni werben wir verstärkt dafür, Verkehrssicherheit als Teil einer Präventionskultur zu verstehen. Um den Dialog zwischen Beschäftigten und Führungskräften anzuregen, haben wir Plakate entwickelt, die wir in die Unternehmen bringen. Auf den Plakaten zeigen wir Regelverstöße – also im wahrsten Sinne des Wortes „blöde Ideen“ – und rufen dann aber dazu auf, es besser zu machen.
Und wie sieht das konkret aus? Wie kann es besser gemacht werden?
Beispielsweise sollte man ein schwieriges Gespräch mit dem Chef – wie auch auf einem der Plakate zu sehen – nicht während der Fahrt führen. Auch nicht über die Freisprecheinrichtung. Für das Gespräch sollte man anhalten, am besten das Fahrzeug verlassen. Das Plakat spricht aber vor allem auch die Führungskraft an: Sie soll ihre Beschäftigten während der Fahrt in Ruhe fahren lassen. Das ist die sicherste Variante.
Gibt es denn noch weitere Informationen für Betriebe über die Plakate hinaus?
Natürlich. Wir haben die Website der Kampagne, die viele Informationen bereithält. Aber die Kampagne lebt auch von Beteiligung. Auf Facebook küren wir zum Beispiel jede Woche einen „kommmitmenschen der Woche“. Das sind Menschen oder Unternehmen, die bereits leben, was wir uns für alle wünschen. Man kann aber auch ganz einfach unsere Inhalte liken oder teilen.
Wie kann ein Betrieb denn für mehr Verkehrssicherheit sorgen?
Die Kampagne kommmitmensch setzt auf mehrere Schritte – oder, um im Bild der Kampagne zu bleiben, schlaue Ideen –, um eine Präventionskultur zu entwickeln. Zunächst muss sich die Führung zur Verkehrssicherheit bekennen und klarmachen, dass Verkehrssicherheit ein Teil der Unternehmensverantwortung ist. Dann sollten Beschäftigte mit einbezogen werden, wenn es um gute Ideen zur Verkehrssicherheit im Betrieb geht. Fehler, Gefahrensituationen, selbst das kleinste Risiko sollten erfasst werden – und auch Teil der Gefährdungsbeurteilung sein. Wenn Sie diese Schritte berücksichtigt haben, dürfen Sie den letzten nicht vergessen: Wertschätzung. Sicheres Fahrverhalten von Beschäftigten sollte bemerkt und wertgeschätzt werden.
Warum sollten sich denn die Betriebe überhaupt mit Verkehrssicherheit beschäftigen?
Weil das klug ist. Unfälle sind oft schwerwiegend und mit viel Leid verbunden. Und wer ein Unternehmen leitet, der weiß, wie teuer Unfälle sind: Lohnfortzahlung, möglicherweise Ärger mit den Kundinnen und Kunden, weil Aufträge liegen bleiben. Ja, Sicherheit und Gesundheit sind im ersten Schritt immer eine Investition – aber die Investition zahlt sich aus. Das zeigt die Erfahrung, das belegen auch unsere Zahlen. Und das betrifft eben auch in besonderem Maße die Verkehrsunfälle. Deshalb ist eine Investition in Verkehrssicherheit eine schlaue Idee.
Interview: Maren Zeidler