Arbeitssicherheit : Pflichten übertragen, so geht’s richtig
Eine unbestimmte Übertragung von Arbeitsschutzpflichten per Formblatt? Das wollte ein Juraprofessor einer bayerischen Universität nicht akzeptieren und klagte dagegen – letztlich erfolgreich. Das Bundesverwaltungsgericht gab ihm 2016 Recht und hob die Urteile der beiden Vorinstanzen auf. In der gewählten Form verstoße die Pflichtenübertragung gegen das Arbeitsschutzgesetz.
Pflichtenübertragung setzt Expertise voraus
Das Gesetz geht nur knapp auf die Voraussetzungen einer Pflichtenübertragung ein. Es gibt allerdings vor, dass Arbeitgebende Pflichten im Arbeitsschutz nur dann auf Beschäftigte übertragen dürfen, wenn diese befähigt sind, die Pflichten auch auszufüllen. Die DGUV Vorschrift 1 nennt „zuverlässige und fachkundige Personen“.
Marcus Hussing, stellvertretender Leiter der Hauptabteilung Sicherheit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), sagt: „Führungskräfte, denen Pflichten im Arbeitsschutz übertragen werden, müssen also die passenden persönlichen Voraussetzungen mitbringen.“ Deshalb sei es außerdem wichtig, dass Unternehmen und Einrichtungen ihre Führungskräfte auf die Aufgaben im Arbeitsschutz vorbereiten, wenn diese nicht über die notwendigen Kenntnisse verfügen. Die Unfallkassen bieten dazu ein umfangreiches Weiterbildungsprogramm an, ebenso das Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG).
Klicktipps
- Übertragen von Aufgaben nach Paragraf 7 Arbeitsschutzgesetz
- Musterformular zur Pflichtenübertragung der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA)
- Weiterbildungsprogramm des IAG zu Fachthmenen der Prävention
Es lohnt sich auch bei den Unfallkassen direkt nach Seminaren und Workshops für Führungskräfte zu suchen. Manche vermitteln Grundlagen, andere sind auf spezielle Betriebsarten und Fachgebiete zugeschnitten.
Vereinbarung zur Pflichtenübertragung muss klar definiert sein
Zu den Arbeitsschutzpflichten, die Führungskräften übertragen werden können, gehören beispielsweise: Gefährdungsbeurteilungen erstellen, Schutzmaßnahmen implementieren und Beschäftigte im sicheren Umgang mit Arbeitsabläufen und Arbeitsmitteln unterweisen.
Die Pflichtenübertragung kann formal eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag sein. Dafür reicht jedoch ein allgemeines Formblatt nicht aus, wie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts deutlich gemacht hat. Die Vereinbarung muss definieren, welche Befugnisse die Arbeitgebenden auf die Führungskraft übertragen und für welchen Bereich sie gelten. „Zudem müssen die Verantwortlichkeiten verschiedener Personen klar voneinander abgegrenzt werden“, erläutert Marcus Hussing, der selbst Jurist ist. Wichtig ist außerdem, dass die Person die gesonderte Vereinbarung zur Pflichtenübertragung unterschreibt und selbst eine Ausfertigung erhält.
Arbeitgebende müssen Arbeitsschutz überwachen
Manchmal gehören Arbeitsschutzaufgaben bereits zur Funktion. So hat etwa in der Regel an Hochschulen die Hochschulleitung in der Person des Präsidenten beziehungsweise der Rektorin die zentrale Verantwortung für den Bereich Sicherheit und Gesundheit inne. Die damit einhergehenden Pflichten sollten im Idealfall die Stellenausschreibung klar benennen, um bereits gegenüber Bewerberinnen und Bewerbern den Stellenwert von Sicherheit und Gesundheit zu betonen.
Das Delegieren von Pflichten hat indessen seine Grenzen – nicht alle Verantwortung können Arbeitgebende an Führungskräfte abgeben. „Unternehmerinnen und Unternehmer bleiben in der Pflicht, Weisungen zu erteilen, zu überwachen, ob ihre Führungskräfte Aufgaben ordnungsgemäß wahrnehmen, und in letzter Konsequenz Pflichtverletzungen zu sanktionieren“, so Hussing.
Auch Fachkräfte für Arbeitssicherheit können Führungskräfte unterstützen
Neben Weiterbildungsseminaren sieht Hussing noch weitere Wissensquellen, die Führungskräfte anzapfen sollten: „Gehen Sie aktiv auf die Akteurinnen und Akteure des betrieblichen Arbeitsschutzes zu, etwa auf die Fachkraft für Arbeitssicherheit, die Betriebsärztin oder den Betriebsarzt.“ Die ordnungsgemäße Pflichtenübertragung dient letztlich dazu, im Fall eines Arbeitsunfalls abgesichert zu sein und den Beweis dafür leicht erbringen zu können.
Andererseits, so gibt Hussing zu bedenken, passiere kein Unfall, weil Pflichten nicht ordnungsgemäß übertragen wurden. „Arbeitsunfälle werden häufig dadurch verursacht, dass verantwortliche Personen etwas nicht beachten oder nicht getan haben, was sie bei ordnungsgemäßer und gewissenhafter Durchführung hätten beachten oder tun müssen.“ Deshalb geht Arbeitsschutz alle an. Es liegt an den Führungskräften, diese Haltung in ihrem Team zu verankern.