Führungskultur : Sich selbst besser wahrnehmen
Führungskräfte haben ein breites Feld an Aufgaben. Ganz oben auf der Liste: Sie müssen Ziele setzen und ihr Team motivieren, diese Ziele zu verfolgen. Dabei sollten sich Führungskräfte immer auch darüber im Klaren sein, wie sie auf andere wirken – ob sie beispielsweise Zuversicht und Vertrauen ausstrahlen oder doch eher Unsicherheit.
Diese Fähigkeit, sich der eigenen Außenwirkung bewusst zu sein, wird in der Sozialpsychologie als Selbstaufmerksamkeit oder Self Awareness bezeichnet.
Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion sind zu unterscheiden
Professorin Dr. Anja Achtziger ist Sozialpsychologin an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Self Awareness. Sie erklärt: „Selbstaufmerksame Personen sind sich bewusst, dass sie von anderen beobachtet werden, und dass diese Personen sie anhand von dem, was sie beobachten können, bewerten. Selbstaufmerksame Menschen wissen, dass diese Bewertungsprozesse stetig und unterschwellig mitlaufen.“ Wollen Führungskräfte um ihre Außenwirkung wissen, sollten sie ihre Selbstaufmerksamkeit stärken.
Wichtig zu beachten: Sich selbst wahrnehmen und das eigene Handeln reflektieren – das sind verschiedene Prozesse. Sie werden aber in der Alltagssprache häufig vermischt. „Selbstwahrnehmung ist eine überwiegend neutrale Beobachtung, während Selbstreflexion einen kritischen Ansatz verfolgt“, sagt Achtziger. „Wir bewerten dabei das eigene Handeln, etwa indem wir prüfen, ob es mit den geltenden Normen übereinstimmt.“ Selbstreflexion wirft bei Führungskräften Fragen auf: Wie gut bin ich darin, mein Team auf ein Ziel hin auszurichten? Welche Ziele habe ich verpasst und warum?
Drei Tipps für eine bessere Selbstwahrnehmung und -reflexion:
1. Äußere Reize steigern die Self Awareness
Selbstaufmerksamkeit ist ein Persönlichkeitsmerkmal. Das heißt, sie ist bei jedem unterschiedlich stark ausgeprägt. Unabhängig davon gibt es jedoch Faktoren, die die Selbstaufmerksamkeit situativ beeinflussen können. Besonders hoch ist sie beispielsweise beim Sprechen vor Publikum, einem Spiegel oder vor laufender Kamera. Führungskräfte können sich das zunutze machen, um selbstaufmerksamer zu werden. „Self Awareness lässt sich zum Beispiel in Videokonferenzen leicht stärken: Kamera an und die Ansicht so einstellen, dass ich mich selbst sehe. Schon kann ich beobachten, wie ich beim Sprechen wirke“, erklärt Achtziger.
2. Zu viel Selbstaufmerksamkeit schürt Ängste
Wie so häufig gilt allerdings auch bei der Beobachtung des eigenen Verhaltens, das richtige Maß zu halten. Wenn Personen sich zu viel mit sich selbst beschäftigen und die Aufmerksamkeit ununterbrochen auf sich selbst gerichtet haben, dann kann Selbstaufmerksamkeit in Nervosität umschlagen. „Self Awareness lässt sich nicht bis zum Optimum steigern. Wer es übertreibt, wirkt schnell nervös, ängstlich oder gar neurotisch“, sagt Achtziger und fügt hinzu: „Gerade bei Führungskräften, die selbstsicher und selbstbewusst wirken wollen, ist eine übertriebene Self Awareness daher nicht zielführend.“
3. Regelmäßig das Feedback anderer einholen
Um Selbstreflexion zu trainieren, hilft es, im Arbeitsumfeld um Feedback zu bitten. Führungskräfte können Kolleginnen und Kollegen, Beschäftigte oder Vorgesetzte um eine ehrliche Einschätzung bitten. „Man sollte vor allem Personen befragen, die einen schon länger und in verschiedenen Situationen, am besten auch in Stresssituationen, erlebt haben“, empfiehlt Achtziger. Idealerweise holen Führungskräfte regelmäßig und systematisch Feedback ein. Das kann einmal pro Quartal in persönlichen Gesprächen mit ausgewählten Personen erfolgen oder auch schriftlich in Form einer regelmäßigen Befragung unter Beschäftigten. So wird Selbstreflexion zur Gewohnheit.