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Vertrauen ist die bessere Motivation
Zuhören und miteinander reden – das hilft, damit sich Mitarbeitende immer gut aufgefangen fühlen. © Thomas Walloch

Führungskultur : Vertrauen ist die bessere Motivation

Der Schlüssel zur Motivation: Führungskräfte sollten nicht nur die eigenen Motive kennen, sondern auch die ihrer Teammitglieder – gerade in Pandemiezeiten.

„Wir behandeln jede Kollegin und jeden Kollegen so, wie wir selbst behandelt werden wollen“, erklärt Anja Steinhaus-Nafe ihr Prinzip der Mitarbeiterführung. Dabei geht es um gut 600 Menschen, die beim Lebensmittelhersteller Steinhaus GmbH tätig sind. „Wir hören zu und reden offen und ehrlich miteinander“, erklärt die Mitinhaberin. Dem 1841 gegründeten Unternehmen ist es zudem wichtig, die Beschäftigten in Entscheidungen einzubeziehen. Wertschätzung, Kommunikation und Beteiligung nennt Steinhaus-Nafe als Schlüssel für ein Betriebsklima, mit dem sie bisher auch die Corona-Krise gut bewältigt.

„Wir haben unsere ohnehin schon sehr hohen Hygienestandards bei der Lebensmittelherstellung verschärft“, so Steinhaus-Nafe. Einmal mehr habe Wertschätzung dafür gesorgt, dass die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trotz zusätzlicher Anforderungen hoch blieb. Diesmal kam Anerkennung vor allem von außen – und die Firmenleitung hat dafür gesorgt, dass sie die Beschäftigten erreicht. „Wir haben Dankesschreiben von unseren Kunden, den Handelsketten, erhalten und ans ‚Schwarze Brett‘ gehängt und auf anderen Wegen verteilt. Sogar die Landesregierung hat uns gelobt.“ Da die Steinhaus GmbH ihren Teil zur Versorgung mit Lebensmitteln beiträgt, ist sie in der Krise „systemrelevant“. „Zu hören, dass ihre Arbeit sinnvoll ist, hat die Beschäftigten sehr motiviert“, berichtet Steinhaus-Nafe. Indem das Management frühzeitig für Hygiene- und Schutzmaßnahmen gesorgt hatte, konnte die Produktion ohne Einschränkungen weiterlaufen. „Dazu war eine gute Kommunikation durch die Führungskräfte wichtig, die zum einen die Bedeutung der Regeln sehr klar gemacht und zum anderen Sorgen der Beschäftigten ernst genommen haben“, berichtet die Unternehmerin, die auch Botschafterin der kommmitmensch-Kampagne ist.

Kultur der Motivation

Mit ihrer Unternehmenskultur schafft Steinhaus beste Voraussetzungen für Motivation. Doch wie sieht es damit aus, wenn viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zu Hause arbeiten? Dr. Marlen Cosmar vom Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) beobachtet, dass der Verlust des gewohnten Arbeitslebens, gepaart mit Angst vor wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, Unsicherheit und Frust auslösen kann.

„Je besser es Führungskräften gelingt, trotz der räumlichen Trennung ein Wir-Gefühl aufrechtzuerhalten, desto eher bleiben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leistungsfähig“, erklärt Cosmar. Hier helfe, Arbeitsaufträge klar zu definieren und als Beitrag zum Ganzen zu würdigen. Gegen Angst vor der Zukunft kann helfen, gemeinsam Ideen zu entwickeln, wie mit der Situation konstruktiv umgegangen werden kann. Cosmar: „Dazu kann beispielsweise ein Ideen-Treffen dienen, das auch gut im Videochat funktioniert.“

Führen auf Distanz

Etwa vier von zehn Unternehmen in Deutschland haben bereits im vergangenen Jahr Homeoffice zumindest für einen Teil der Beschäftigten praktiziert – dies ergab eine Befragung von Bitcom. Die Erfahrung vieler Beschäftigter und Führungskräfte zeigt: Nicht alle schätzen das Arbeiten in den eigenen vier Wänden. Einige, die es sich gewünscht hatten, geben auf oder werden wieder in die Firma geholt. Andere lehnen von vornherein dankend ab, weil sie die Trennung von Arbeits- und Privatleben sowie den persönlichen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen schätzen.

Homeoffice liegt vor allem Menschen, die konzentriert arbeiten und dabei ihre Gesundheit im Auge behalten können. Ob dies gelingt, hängt zum Teil von der Motivation ab. Doch wie entsteht Motivation? Sie speist sich aus verschiedenen Bedürfnissen wie Macht, Zugehörigkeit oder einfach dem Wunsch nach einer guten Leistung. „Die meisten Führungskräfte kennen die vorherrschenden Motive der einzelnen Personen“, erklärt Cosmar. „Die Kunst des Führens besteht darin, diese Motive individuell zu bedienen, ohne Kolleginnen und Kollegen offensichtlich ungleich zu behandeln. Gezielte Beratung und Förderung sorgten dafür, Eigenmotivation aufrechtzuerhalten und mit den erforderlichen Fähigkeiten zu untermauern.“ Wer sich Sorgen macht, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgrund schlechter wirtschaftlicher Situation nicht ausreichend Anreize wie Gehaltserhöhungen bieten zu können, sollte die Studie „How to Get Your Employees Moving“ von Kelli Burton (Indiana University, Bloomington, USA) kennen. Sie kommt wie bereits weitere Erhebungen zu dem Schluss, dass sich nichtmonetäre Anreize nachhaltiger auswirken können als rein monetäre. Besonders wirksam sei Lob. Dies gilt vor allem für Menschen, die intrinsisch motiviert sind. Wer Routineaufgaben abarbeitet, lässt sich eher durch äußere Anreize wie Sonderzahlungen anspornen. Auch wissenswert: Nicht allein Vorgesetzte, sondern vor allem die Mitarbeitenden selbst wirken aufeinander motivierend ein – und das funktioniert auch online.

Wir-Gefühl im Homeoffice?

Dr. Laura Sophie Dornheim leitet bei der eyeo GmbH ein Team, das über die ganze Welt verstreut ist. „Unser Tag beginnt mit einem sogenannten Stand-up, einem kurzen virtuellen Meeting, in dem alle in knapper Form schildern, woran sie heute arbeiten“, berichtet die Wirtschaftsinformatikerin. Sie nutzt dafür einen Chat, über den alle Teammitglieder des Kölner Softwareentwicklers Begrüßungen und Neuigkeiten austauschen wie sonst morgens in der Kaffeeküche. Die Chefin selbst teilt zudem ihre To-do-Liste – so sind alle auf dem Laufenden, fühlen sich wahrgenommen und beteiligt. Über die Woche hinweg sorgen Werkzeuge wie Checklisten mit aktuellen Aufgaben für Struktur und Austausch. Montägliche E-Mails aller Teammitglieder an die Chefin geben Rück- und Ausblick über den Stand von Projekten. Dornheim: „Den Montagnachmittag verbringe ich mit 30-minütigen Einzelgesprächen. Dieser Termin und die dazugehörige Checkliste sind das Erste, was ich allen schicke, und selbst wenn es nicht viel zu besprechen gibt, finden die Videotelefonate statt, denn besonders dann, wenn man nicht im selben Büro sitzt, ist es wichtig, den persönlichen Kontakt zu halten.“ Dies sei die beste Art, Motivationstiefs erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Beschäftigte sind unterschiedlich

Auch online gilt: Einige Beschäftigte brauchen mehr Aufmerksamkeit, andere weniger. Besonders in Zeiten des Homeoffice sollten Vorgesetzte ansprechbar sein, sich aber nicht in die Privatsphäre der Beschäftigten drängen. Cosmar weist darauf hin, dass sich die Bedürfnisse von Beschäftigten im Homeoffice – gerade unter besonderen Bedingungen wie zum Beispiel der Kontaktsperre – verändern können. Manche ziehen sich zurück, verlieren die Motivation und können in eine depressive Stimmung geraten. Andere zeigen sich übermotiviert, weil sie viel mehr auf sich selbst gestellt und überfordert sind. E-Mails zu allen Tages- und Nachtzeiten, Unkonzentriertheit, Stimmungsschwankungen, häufige Fehler deuten darauf hin, dass jemand Halt verliert oder überfordert ist. Der regelmäßige Austausch hilft, solche Entwicklungen zu erkennen und anzusprechen.

Auf jeden Fall gibt Homeoffice Gelegenheit, das indirekte Führen zu erproben. „Vertrauen statt Kontrolle – das ist ein toller Wandel!“, kommentiert der Leiter des IAG, Prof. Dr. Dirk Windemuth, und verweist auf Studien, die belegen, dass Vertrauensarbeitszeit, wie sie bei Homeoffice vielfach gilt, eher zu Mehrarbeit führt. „Führungskräfte müssen sich also weniger Sorgen darum machen, wie sie Mitarbeitende motivieren. Sie müssen oft eher überlegen, wie sie sie im Sinne des Arbeitsschutzes davon abhalten, zu lange zu arbeiten und die Pausen zu vergessen“, so Windemuth. Formal geregelt sein sollten deshalb unbedingt die Arbeits- und Erholungszeiten – und damit die Erreichbarkeit aller Teammitglieder und Führungskräfte.

Autorin: Miriam Becker

Wie entsteht Motivation?

Zuerst ist ein Motiv da, das sich aus einer Emotion und einer Zielorientierung entwickelt. Sobald das Motiv aktiviert wird, spricht man von Motivation. Dabei gibt es eine intrinsische Motivation, die aus der Person selbst heraus entsteht, und die extrinsische Motivation, die durch äußere Anreize ausgelöst wird.

Quellen der intrinsischen Motivation:

  • die Aufgabe selbst: „Sich in eine interessante Aufgabe vertiefen zu können, die mir Spaß macht, ist mir wichtiger als ein hohes Einkommen, Status oder Macht.“
  • die Person: „Entscheidend ist für mich, dass ich an der Verwirklichung meiner persönlichen Werte und Ziele (Vision) arbeiten kann.“

Quellen der extrinsischen Motivation:

  • (materielle) Anreize: „Im Zweifelsfall entscheide ich mich für eine Aufgabe, bei der ich mein Einkommen oder meine berufliche Stellung verbessern kann.“
  • das Umfeld – Lob, Anerkennung und Wertschätzung: „Es ist mir besonders wichtig, dass meine Arbeit durch meine Vorgesetzten, Kollegen oder Kunden als sehr wichtig eingeschätzt und anerkannt wird.“