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Coworking im öffentlichen Dienst
An vielen Standorten des Anbieters CoWorkLand können auch Meeting-Räume genutzt werden. © CoCoNat

Arbeitssicherheit : Coworking im öffentlichen Dienst

Das Konzept von Coworking-Spaces wird auch im öffentlichen Dienst erprobt. Zwei Pilotprojekte in Kiel und Berlin haben unterschiedliche Wege gefunden.

Heute mal nicht bis in die Stadt zur Arbeit fahren, sondern nur eine Ortschaft weiter. Und statt in einem großen Verwaltungskomplex in einem kleinen, kreativ eingerichteten Büro im Grünen arbeiten – und mit Menschen aus ganz anderen Branchen zusammenkommen. Für die rund 3.300 Beschäftigten der schleswig-holsteinischen Landesregierung war genau das für mehrere Wochen eine Option. Im Rahmen eines Pilotprojek­tes konnten sie sich tage- oder wochenweise in einen Coworking-Space eines lokalen Anbieters einmieten. Ein Konzept, das viele Vorteile, aber auch ­Herausforderungen mit sich bringt.

Ein Coworking-Space bietet gemeinschaftlich genutzte Büroarbeitsplätze samt Infrastruktur, in der Regel auch Konferenzräume und Gastro­nomie. Schreibtische können tageweise oder langfristig gemietet werden. Das Konzept wurde lange vor allem von Start-ups und Freiberuflern genutzt. Die Frage, wie Büroarbeit flexibler gestaltet werden kann, beschäftigt aber auch den öffentlichen Dienst. „Durch mehr räumliche Flexibilität kann der Pendelverkehr reduziert und die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf gefördert werden. Und das zahlt auf verschiedene politische Ziele des Landes ein“, sagt Dirk Schrödter, Digi­talisierungsminister und Chef der Staatskanzlei Schleswig-Holstein, die das Projekt federführend betreut hat. „Deshalb haben wir mit unserem IT-Dienstleister Dataport und schließlich mit CoWorkLand ein Konzept erarbeitet, um unseren Beschäftigten testweise ein Coworking-Angebot zugänglich zu machen.“

Arbeiten auf der Terrasse
Auch grüne Coworking-Spaces auf dem Land stehen in Schleswig-Holstein zur Verfügung. © Coworking Schlei

Coworking-Spaces: Motivation und Nutzung ganz unterschiedlich

Im Jahr 2020 wurde das Pilotprojekt ­genehmigt. Den Mitarbeitenden standen 15 Standorte von CoWorkLand in und um Kiel kostenlos zur Verfügung, vom Landhaus mit Garten bis zum urbanen Großraumbüro. „Die Nutzung war ganz unterschiedlich“, sagt CoWorkLand-­Geschäftsführer Ulrich Bähr. „Teilweise wurden Meetingräume gebucht, um ungestört zu arbeiten. Andere haben Büros in der Nähe ihrer Partnerinnen und Partner gemietet.“

Insgesamt blieb das Angebot aber nahezu ungenutzt. Ein Grund war die Coronapandemie, die das Projekt zwischenzeitlich ausbremste. „Das hat es uns noch schwerer gemacht, die Beschäftigten für externe Großraumbüros zu begeistern. Viele wollten lieber im Homeoffice arbeiten“, sagt Minister Schrödter und ergänzt: „Eine detaillierte Evaluation lassen die geringen Buchungszahlen aber leider nicht zu.“

Eine weitere Hürde für Projekte dieser Art: Der Arbeits- und Gesundheitsschutz. „Grundsätzlich sind Arbeitgebende für sichere und gesunde Arbeitsbedingungen verantwortlich. Das gilt auch, wenn sie Räume externer Anbieter zur Verfügung stellen“, sagt Chinua Ejeka, stellvertretender Leiter des Fachbereichs Verwaltung der DGUV. „Die Herausforderung ist, dass der Zugriff auf externe Büros beschränkt ist.“ Diese Fragen bündelt eine DGUV-Publikation, an der Ejeka mitgearbeitet hat.

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Infos und Bestandsaufnahme zu Sicherheit und Gesundheit in Coworking-Spaces

Im Falle des Kieler Projektes wurden Fragen wie diese mitgedacht: „Mit dem Unfallversicherungsträger haben wir einen Leitfaden entwickelt, der die Arbeitsstättenverordnung für uns realistisch runterbricht“, sagt Ulrich Bähr von CoWorkLand.

Den Trend zu flexiblem Arbeiten vergleicht Bähr mit der Mobilität: „An einem Tag nehme ich lieber die Bahn, am nächsten den E-Roller. So stelle ich mir das Arbeitsplatzkonzept der Zukunft vor.“ Auch Digitalisierungs­minister Schrödter kann sich vor­stellen, das Projekt in ein paar Jahren neu aufzurollen: „Im nächsten Schritt werden wir dafür die Landesbeschäftigten befragen und ermitteln, ob und wo ­Bedarf für wohnortnahe Arbeitsplätze bestehen. Sicher ist: Klimaschutz durch ­kürzere Fahrtzeiten und die Einbe­ziehung des ländlichen Raumes werden den öffentlichen Dienst in Zukunft weiter beschäftigen. Es gab auch Rückfragen aus anderen Bundesländern – das Interesse ist da.“

Gut zu wissen: Arbeitsschutz in Coworking-Spaces

  • Vor Vertragsabschluss mit einem externen Anbieter prüfen:
    Ergonomie, Licht- und Lärmverhältnisse
    Zustand technischer Geräte und sämtlicher Arbeitsmittel
  • Ausweisung von Flucht- und Rettungswegen
  • Anzahl der Ersthelfenden und Brandschutzmaßnahmen
  • idealerweise Gefährdungsbeurteilung selbst durchführen; oder Gefährdungsbeurteilung des Coworking-Anbieters prüfen
  • Problem: Die Bedingungen in externen Büros können sich jederzeit ändern, Kontrollmöglichkeiten sind meist begrenzt
  • Lösungsansätze: Verstärkt auf Mitwirkung der Beschäftigten setzen, die Coworking-Spaces nutzen; Basiswissen zu Arbeits-sicherheit vermitteln und dazu in stetem Austausch bleiben um Zuständigkeiten zu Themen wie Brandschutz oder Erste Hilfe ggf. gemeinsam zu erarbeiten, können sich Arbeitgebende auch mit anderen Unternehmen austauschen, die den Space nutzen idealerweise werden Handlungshilfen der Unfallversicherungsträger und gesetzliche Vorgaben, etwa zu Zuständigkeiten bei der Prävention, künftig erweitert

Pilotprojekt in Berlin: Eigene Räume flexibel nutzen

Es gibt aber auch Möglichkeiten, Arbeit und Arbeitsplätze flexibler zu gestalten, ohne dafür die Räume eines externen Anbieters zu nutzen – wenn die eigenen Verwaltungsgebäude dafür entsprechende Möglichkeiten bieten. Hier liefert das Projekt „Arbeit x anders – zukunftsfähige Arbeitskultur in der Senatsverwaltung für Finanzen“ aus Berlin ein Beispiel. In neu gestalteten Räumen, die modernen Coworking-Spaces nachempfunden wurden, startete ein kleines Team der Senatsverwaltung einen Modellversuch.

„Der Wunsch nach Veränderung der bestehenden Arbeitskultur und der Arbeitsumgebungen war 2018, vor der Pandemie, aus dem Eigenbedarf unseres damals 14-köpfigen Teams entstanden“, sagt Anne Steinicke, Koordinatorin im Geschäftsprozessmanagement. „Es gab ein starkes Bedürfnis nach mehr Flexibilität und verstärkter Teamarbeit. Außerdem wollten wir die Potenziale einer hohen Digitalisierung und eines Telearbeitsanteils von über 50 Prozent im Team positiv nutzen. All das führte zu der Entscheidung, das Projekt durchzuführen.“ Die effiziente Raumnutzung und die Kostenersparnis waren dabei nur zwei positive Effekte des Projektes, betont Steinicke. „Kernziel war es, eine neue, moderne Arbeitskultur mit einem bedarfsgerechten Raumkonzept einzuführen. Ohne fest zugeteilte Arbeitsplätze, dafür mit viel Raum für Kommunikation, mit moderner Technologie und flexiblen Arbeitszeiten.“ Ein weiteres Ziel sei es, als Verwaltung für langjährige und neue Mitarbeitende, insbesondere junge Beschäftigte, attraktiv zu bleiben.

Coworking-Spaces
Moderne, offene Arbeitsräume mit vielen Möglichkeiten zum Austausch: Darauf setzt das Projekt "Arbeit x anders". © Senatsverwaltung für Finanzen Berlin

Alle teilen sich die offenen Büros – auch die Führungskräfte

Im Jahr 2019 zog das Team um Anne Steinicke in neu eingerichtete Räume. Die wichtigsten Veränderungen zu den bisherigen Büros: Insgesamt gibt es weniger Schreibtische, da nie alle Beschäftigten gleichzeitig vor Ort sind. Dafür mehr offene Bereiche zum Austausch, Sitzecken und Ruhezonen. Zudem wurden alle Projektteilnehmenden mit mobiler Technik wie Laptops und Smartphones ausgestattet. Das Projekt brachte aber auch einschneidende Veränderungen bekannter hierarchischer Strukturen mit sich. „Manche dieser Veränderungen verursachten bei den betreffenden Mitarbeitenden auch Unbehagen. Etwa, dass auch Führungskräfte keine eigenen Büros mehr haben. Das war eine bewusste Entscheidung, denn moderne Arbeitskultur baut solche Statussymbole gezielt ab“, sagt Steinicke.

Bei der Konzeption und der Umsetzung des Projektes wird die Berliner Verwaltung vom Fraunhofer IAO Center for Responsible Research and Innovation CeRRI unterstützt. Nicht zuletzt, weil das Projekt mehrere Stufen umfasst, die jeweils umfassend evaluiert werden und aufeinander aufbauen. Nach dem Evaluationsbericht der Stufe 1 startete 2020 die zweite Stufe des Projektes. Diesmal zogen rund 100 Beschäftigte anderer Teams aus allen Abteilungen in neue Räume um. In einem anderen Dienstgebäude stehen ihnen seitdem auf knapp 2.000 Quadratmetern und drei Etagen flexible und ebenso moderne Büros zur Verfügung. „Bislang arbeiten nicht alle Projektteilnehmenden in den Projektbüros, denn natürlich gibt es auch Mitarbeitende, die ihren angestammten Arbeitsplatz oder ihr Einzelbüro nicht aufgeben wollen. Deswegen sind die Räume auch noch nicht voll ausgelastet, theoretisch könnten wesentlich mehr Menschen mitmachen“, sagt Anne Steinicke. Auch sie glaubt, dass neue Strukturen Zeit und eine entsprechende Begleitung brauchen, um von allen Beschäftigten angenommen zu werden. In Kürze ist auch die Evaluation der Projektstufe 2 abgeschlossen. „Das Zwischenfeedback der Teilnehmenden war einheitlich: Niemand will zurück in die alten Strukturen.“

Projektraum beim Coworking
Wer ungestört arbeiten will, findet in den Projekträumen von "Arbeit x anders" auch Rückzugsräume. © Senatsverwaltung für Finanzen Berlin

Nun arbeitet das Team an Ideen dazu, was noch angepasst werden kann und wie auch andere Bereiche des Hauses in neue Raumkonzepte eingebunden werden können. Eine wichtige Erkenntnis: Jedes Team muss individuell die eigenen Bedarfe und Wünsche für die Arbeitsabläufe identifizieren, bevor bedarfsgerechte Raumkonzepte erarbeitet werden können. Das bedeutet, die Arbeitsstrukturen sind zu hinterfragen. Denn nicht jedes Team hat identische Aufgaben oder verspürt den Bedarf nach Veränderungen. „Deswegen erarbeiten wir bereits ein standardisiertes Vorgehen für das ganze Haus, das den Fokus auf die Team- und Organisationsentwicklung legt und erst im zweiten Schritt die Raumkonzeption berücksichtigt.“