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Digitale Helfer mit künstlicher Intelligenz
Auf Smartphones gehört der Einsatz von künstlicher Intelligenz bereits zum Alltag. Im öffentlichen Dienst steht die Entwicklung noch am Anfang. © Getty Images/TippaPatt

Arbeitssicherheit : Digitale Helfer mit künstlicher Intelligenz

Bei der Auswertung und Nutzung großer Datenmengen kann künstliche Intelligenz den öffentlichen Dienst unterstützen – wenn Einrichtungen den Einsatz gut vorbereiten.

Massenklagen gegen Autokonzerne haben in Baden-Württem­berg die Zahl der Verfahren an Gerichten nach oben schießen lassen. Allein am Oberlandesgericht Stuttgart sind mehr als 13.000 Klagen anhängig. Und zu jeder Klage gehören eigene Schriftsätze, die meist mehr als 100 Seiten umfassen. Die Beschäftigten der Gerichte bringt das an ihre Kapazitätsgrenze. Doch ­inzwischen bekommen die Richterinnen und Richter maschinelle Unterstützung – dank künstlicher Intelligenz (KI).

Definition

Künstliche Intelligenz (KI) ist ursprünglich ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden und Algorithmen.

Heute bezieht er sich zumeist auf die Methoden des maschinellen Lernens. Diese ermöglichen einer entsprechenden KI, automatisiert und selbstständig Antworten zu finden und Aufgaben zu lösen.

Bei der Implementierung von KI-Lösungen Beschäftigte einbeziehen

Die KI ist in der Lage, lange ­Schriftsätze rasch zu erfassen und dem richtigen Verfahren zuzuordnen. Sie erfüllt aber nur eine Assistenzrolle. Die Richterinnen und Richter übernehmen die inhaltliche Bearbeitung, überprüfen und entscheiden, wie mit den einzelnen Klagen zu verfahren ist. „Die Richterinnen und Richter der teilnehmenden Senate waren von Anfang an in die Planung und Entwicklung des KI-Projektes einbezogen“, sagt Jan Spoenle, Richter am Oberlandesgericht Stuttgart und richterlicher Leiter des KI-Projektes.

Dadurch ließ sich zum einen sicherstellen, dass der Einsatz der KI nur in einem Umfang und in einer Art und Weise erfolgt, die von den Richterinnen und Richtern nachvollzogen werden kann – und dass diese weiterhin die Entscheidungen treffen. Zum anderen konnte erreicht werden, dass die Anwendung zu den Bedürfnissen und der Arbeitsweise der Nutzerinnen und Nutzer passt und sie sich nicht lange an den Gebrauch des neue Formats gewöhnen mussten. „Dazu haben interdisziplinäre Workshops im Vorfeld beigetragen, die wir gemeinsam mit IT-Fachleuten der Justiz und des Projektpartners durchgeführt haben“, sagt Jan Spoenle.

Dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz in diesem Fall überhaupt möglich ist, liegt an der fortgeschrittenen Digitalisierung der Justiz in Baden-Württemberg. Denn die elektronische Akte gehört an den Gerichten des Bundeslandes bereits zum Alltag: Beide Oberlandesgerichte, alle 17 Landgerichte sowie 64 Amtsgerichte arbeiten bereits damit. Bis Ende 2023 sollen auch alle anderen Gerichte folgen.

KI im öffentlichen Dienst: „Wir erhoffen uns eine Entlastung der Beschäftigten“

Künstliche Intelligenz hält Einzug in den ...

Datenschutz beim Einsatz von KI beachten

Dass Daten in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung stehen, ist eine der Grundvoraussetzungen von KI-Anwendungen. Schon bevor diese zum Einsatz kommen, müssen sie trainiert werden – mit Datensätzen, die die notwendigen Informationen enthalten. „Wobei Datenschutz bei KI-Projekten ganz zentral ist“, sagt Moritz Schneider, Leiter Sachgebiet Künstliche Intelligenz und Softwarearchitektur beim Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA). Ebenso müsse vor Beginn eines KI-Projektes definiert werden, welche Ziele das Projekt verfolge und für welche Probleme das System Lösungen bieten soll. Auch sollte eine menschzentrierte Gestaltung als Ansatz zur Entwicklung gewählt werden.

Checkliste

Was ist vor der Einführung von künstlicher Intelligenz zu tun:

  1. Grundlegende Werte: Rechte, Werte und Prinzipien für den Einsatz von KI haben unter anderem bereits der Bundestag, die Bundesregierung sowie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) formuliert.
  2. Ziele definieren: Was soll erreicht, verbessert oder gelöst werden? Bei der Anwendung eines KI-Systems gilt es sicherzustellen, dass der Prozess immer menschen­zentriert bleibt – etwa durch die Beteiligung der Beschäftigten.
  3. Risiken abschätzen: Welche Folgen hat die Einführung der KI? Im Vorfeld müssen Risiken diskutiert werden. Bei der Nutzung bedarf es einer ständigen Prüfung, ob Anpassungen nötig sind.
  4. Datenqualität und Vorurteil: Zum Training braucht eine KI viele Daten. Sie müssen fehlerfrei, aktuell, aussagekräftig und repräsentativ sein. Zugleich ist sicherzustellen, dass es nicht zu einer systematischen Verzerrung kommt, die Vorurteile (Bias) erzeugt und so bestimmte Gruppen diskriminiert.
  5. Transparenz schaffen: Wie eine KI funktioniert und wie ihre Ergebnisse zustande kommen, sollte transparent sein. Das stärkt das Vertrauen in die Anwendung und Einrichtung.

Die Selbstverpflichtende Leitlinien für den KI-Einsatz hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlich.

Der Deutsche Ethikrat hat auf seiner Website eine Stellungnahme zur Verfügung gestellt (in Kurz- und Langfassung).

KI eröffnet viele, aber nicht grenzenlöse Einsatzmöglichkeiten

Die Frage, inwieweit KI menschliche Arbeitskräfte ersetzen kann und darf, ist noch nicht abschließend beantwortet. In jedem Fall verändert sich die menschliche Arbeit, wenn die digitalen Anwendungen zum Einsatz kommen. Ständig wiederkehrende Arbeiten wie das Auflisten und Sortieren von Dokumenten und Daten kann sie vermutlich bedenkenlos übernehmen. „Bis zu welchem Grad wir sie selbstständig diskutieren, analysieren und bewerten lassen wollen, gilt es individuell abzuschätzen“, sagt Moritz Schneider, „In der Verwaltung eröffnen KI-Lösungen viele neue Dienstleistungsmöglichkeiten.“

So wäre ein mögliches Beispiel im öffentlichen Dienst: Ein KI-System beantwortet Anfragen – wie die, welche Unterlagen für einen Antrag benötigt werden. Die Dokumente aber prüfen menschliche Angestellte und entscheiden über die Genehmigung – so ist es derzeit ethisch und politisch gewollt.