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KI im öffentlichen Dienst: „Wir erhoffen uns eine Entlastung der Beschäftigten“
Muckl heißt der KI-Chatbot der Stadt München. © RIT/LHM

Gesundheitsschutz : KI im öffentlichen Dienst: „Wir erhoffen uns eine Entlastung der Beschäftigten“

Künstliche Intelligenz hält Einzug in den öffentlichen Dienst. Wie die Stadt München auf einen Chatbot setzt, um Beschäftigte zu entlasten.

Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt rasant an Bedeutung in der Arbeitswelt – auch im öffentlichen Dienst. Bei der Stadt München gehört die Nutzung von KI zur Digitalisierungsstrategie. Ein Gespräch mit Dr. Stefanie Lämmle, Leiterin des KI Competence Centers der Stadt München, und Anke Scholl vom IT-Referat über erste Anwendungen, den Nutzen von KI und die Folgen für Beschäftigte.

Dr. Stefanie Lämmle
Dr. Stefanie Lämmle, Leiterin KI Competence Center der Stadt München © RIT/LHM

In der öffentlichen Verwaltung in Deutschland sind Anwendungen, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten, noch sehr selten. Wieso ist das in München anders?

Dr. Stefanie Lämmle: Zum einen haben wir mit dem Innovation Lab und KI Competence Center die strukturellen Voraussetzungen geschaffen, uns um Anwendungsfälle zu kümmern. Wir haben ein Netzwerk mit Industrie und Forschung aufgebaut und unsere Informatikerinnen und Informatiker sind selbst in der Lage, KI-Modelle zu trainieren. Zum anderen haben wir früh Anwendungen gesucht, bei denen ethische Fragen in Sachen KI und Datenschutzfragen nicht zum Tragen kommen, die aber einen Mehrwert schaffen.

Können Sie dafür Beispiele nennen?

Lämmle: In der Corona-Pandemie haben wir zusammen mit dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenverband eine Anwendung für blinde Menschen entwickelt. Ein ganz klassisches Bilderkennungsproblem: Blinde Menschen können den Schnelltest durchführen, aber das Ergebnis nicht ablesen. Mithilfe von künstlicher Intelligenz ist die Bilderkennung in der Lage, diese Bilder auszuwerten und das Ergebnis zu nennen. Eine zweite Anwendung hilft, den Baumbestand in der Stadt zu bestimmen. Mithilfe der Open-Source-Bibliothek ‚Deepforest‘ haben wir aus 30.000 Einzelbildern ein Luftbild erschaffen, das zeigt, wo es in München einen hohen Baumbestand gibt und wo er gering ist. Die KI hat dabei auf den Luftbildern die Baumkronen identifiziert.

Anke Scholl KI Chatbot München
Anke Scholl vom IT-Referat der Stadt München. © RIT/LHM

Die neueste KI-Anwendung ist ein Chatbot auf der Internetseite der Stadt München. Was kann er?

Anke Scholl: In der Abteilung E- und Open Government & Smart City des IT-Referats, zu der ich gehöre, kümmern wir um uns unter anderem um die Einführung neuer Software-Lösungen, die Services, Austausch und Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern digitalisieren. Im April 2023 haben wir den Chatbot live gestellt, der im ersten Schritt zum Thema Landtags- und Bezirkswahlen informiert, die im Oktober in Bayern stattfinden. Er basiert auf einer Künstlichen Intelligenz und heißt Muckl. Er beantwortet Fragen rund um die Wahl, zum Beispiel reagiert er mit Quicklinks zu Themen wie ‚Wer kann Wahlhelferin oder Wahlhelfer werden‘. Künftig wollen wir noch weitere Themen mit dem Chatbot bedienen.

Welche sind das?

Scholl: Er wird Fragen rund um gefördertes Wohnen und Kitaplätze beantworten können und Interessierten helfen, sich bei der Stadt München zu bewerben. Aber vor allem wird er unterstützen, die passende Dienstleistung und den passenden Service zu finden sowie Fragen dazu zu beantworten. Zum Beispiel: Wie beantrage ich einen Führerschein? Solche wiederkehrenden Standardfragen kann der Muckl dann übernehmen und so die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlasten.

Lämmle: Rein per E-Mail bekommt das Kreisverwaltungsreferat pro Jahr 500.000 Anfragen – und da sind die Anrufe beim Bürgertelefon und direkte Gespräche noch gar nicht mitgezählt. Hier erhoffen wir uns eine Entlastung der Beschäftigten. Ob es wirklich gelingt, wird unser Monitoring des Chatbots zeigen.

Hintergrund

Seit 2018 hat die Stadt München ein eigenes IT-Referat mit mehr als 1.400 Beschäftigten. Zum Referat gehören unter anderem das Innovation Lab und das KI Competence Centers, die als Teile der Digitalisierungsstrategie der bayerischen Landeshauptstadt neue Anwendungen entwickeln und voranbringen sollen.

Wie werden Beschäftigte darauf vorbereitet, wenn sie selbst mit KI-Anwendungen umgehen sollen?

Scholl: Da gibt es eine ganze Reihe von Kommunikations- und Schulungsmaßnahmen – wie übrigens auch sonst bei Einführung einer neuen Software. Wenn eine neue Lösung eingeführt wird, kümmert sich das Projekt darum, dass es gute Unterlagen und Wissensartikel gibt. Wenn Umfang und Komplexität der neuen Software es erfordern, werden die Mitarbeitenden sowohl in Präsenz als auch online geschult. Wir lassen zudem die Barrierefreiheit unserer Anwendungen prüfen, möglichst auch zertifizieren. Wenn es dennoch Punkte gibt, die Anwendern oder Mitarbeiterinnen auffallen, arbeiten wir sie später ein.

Welche Rolle spielen Führungskräfte bei der Umsetzung der Digitalisierung und dem Einsatz von KI?

Lämmle: Es ist wichtig, dass Führungskräfte ein entsprechendes Mindset haben, also gerade in Richtung Agilität, Selbstorganisation und New Work. Unser Personalorganisationsreferat, das unter anderem für die Weiterbildung der Führungskräfte zuständig ist, ist da federführend. Es hat zum Beispiel jetzt ein neues Programm namens NeoHR eingeführt.

Ein Baustein ist das Thema ‚New Work‘, das die Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellt und auch beim Thema Selbstorganisation unterstützt. Was kann man selbstorganisiert machen, auch in einer relativ hierarchischen Organisation? Welche Aufgaben können ins Team gegeben werden? Was muss überhaupt noch die Führungskraft machen? In meinem Team sind die Beschäftigten zwischen 25 und 30 Jahre alt. Die wollen mitreden, wollen sich fachlich einbringen und wollen nicht nur alles von oben vorgegeben bekommen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, um Mitarbeitende zu halten und zu gewinnen. Da müssen natürlich die Führungskräfte mitziehen.

Scholl: Im IT-Referat geht es gerade viel um neue Zusammenarbeitsmodelle. Agilität ist da ein großes Thema, aber auch das Homeoffice, das wir umfangreich nutzen können. Die Führungskräfte verstehen sich als Vorbilder, leben die moderne Digitalisierung vor und nehmen so die auch Mitarbeitenden mit.

Und welche weiteren KI-Themen stehen auf der Agenda?

Lämmle: Wir haben ein großes Arbeitspaket im Bereich der IT-Strategie. Das ist noch mal ein ganz eigenes Team, das sich mit dem Thema Daten-Ethik beschäftigt. Die Kolleginnen und Kollegen werden in den nächsten Monaten und Jahren eine Roadmap vorgeben, die auch sehr stark das Thema KI betreffen wird. Mein Team wird dann an konkreten Anwendungen erproben, ob das vernünftig umsetzbar ist. Parallel sind meine Mitarbeitenden auf Konferenzen unterwegs, für die sie unsere Beiträge einreichen und zugleich informiert bleiben, was andere machen. Eine ganz tolle Win-Win-Situation.