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Beteiligung von Beschäftigten mit Employee Listening
Workshops als Form der ­Beteiligung: Führungskräfte sollten auf das hören, was die Mitarbeitenden zu sagen haben. © Getty Images/Tom Werner

Führungskultur : Beteiligung von Beschäftigten mit Employee Listening

Betrieblicher Arbeitsschutz gelingt nur durch aktive Beteiligung der Mitarbeitenden. Eine wirksame Methode ist Employee Listening.

Es ist 10 Uhr, und im Konferenzraum einer Verwaltung haben sich fünf Mitarbeitende um einen Tisch versammelt. Auf dem gro­ßen Bildschirm an der Stirnseite des Raumes sind die Kolleginnen und ­Kollegen zu sehen, die sich von zu Hause aus eingewählt haben. Jemand beginnt vom aktuellen Stand eines Projektes zu berichten: Es geht um die Belegung der Bildschirmarbeitsplätze und die Frage, ob Büros zu Meeting­räumen umgewidmet werden sollen.

Denn die hybride Arbeitsweise, bei der die Mitarbeitenden der Verwaltung im Büro und im Homeoffice arbeiten, hat das einst geschäftige Büro in einen stillen Ort verwandelt. Oft ist nur ein Drittel der Plätze besetzt. Nach der ­Präsentation diskutieren die Teilnehmenden im Raum lebhaft über die ­geplanten Änderungen, während sich die virtuell Zugeschalteten kaum am Gespräch beteiligen. Als das Meeting schließlich endet, bleiben Fragen ­offen: Sind die Beschäftigten mit der Veränderung einverstanden? Gibt es Bedenken oder Wünsche?

Solche Szenarien sind in vielen Unternehmen und Einrichtungen Realität. Insbesondere Führungs­kräften fällt es oft schwer, Teamzusammenhalt, Kommunikation und Zusammenarbeit über alle Arbeitsumgebungen hinweg sicherzustellen und individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen. Die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sowie die allgemeine Zufriedenheit können so leicht auf der Strecke bleiben – vor allem wenn Veränderungen geplant sind. „Führungskräfte sollten Wege finden, Mitarbeitende frühzeitig an Veränderungen zu beteiligen. Ihr Feedback anzuhören, ist ein erster, wichtiger Schritt“, sagt Johanna Post vom Sachgebiet „Veränderung der Arbeitskulturen“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).

Eine blonde Frau mit Brille von schräg hinten, die an einem Schreibtisch sitzt und in Richtung des Bildschirms vor sich winkt, auf dem eine Konferenzschaltung mit zwei anderen Frauen zu sehen ist.
Die Gestaltung von Büros, die für Videomeetings gedacht sind, kann ein Thema für Mitarbeitenden­beteiligung sein. © Getty Images/Westend61

Zuhören ist die Basis von Mitarbeitendenbeteiligung

Das aktive und systematische Einholen von Meinungen der Mitarbeitenden heißt Employee Listening (also: der Belegschaft zuhören) und ist ein zentrales Element der Mitarbeitendenbeteiligung. Employee Listening setzt zwei Dinge voraus: eine bestimmte Haltung und geeignete Methoden.
Es gibt keine Einheitslösung für Employee Listening. Die Auswahl der richtigen Methoden hängt von der ­Organisationsstruktur und -kultur ab. Empfehlenswert ist es jedoch immer, verschiedene Methoden zu kombi­nie­ren, um den unterschiedlichen Kommunikationsbedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht zu werden – etwa digitale und persönliche Methoden.

Anonyme Umfragen sind oft der erste Schritt, um ein Stimmungsbild zu erfassen und Trends aufzudecken. Sie ermöglichen Mitarbeitenden, ehrliches Feedback zu geben und ihre Meinung ohne Angst vor negativen Folgen zu äußern. Ergänzend bieten sich offene Q&A-Runden an, in denen Führungskräfte auf Umfrageergebnisse ein­gehen und mit den Mitarbeitenden in den Dialog treten. Neben den struk­turierten Formaten sind persönliche Gespräche und Workshops wertvoll, um detailliert spezifische Themen anzusprechen. Ein Workshop lässt Mit­arbeitende etwa aktiv an Problemlösungen mitarbeiten und ihre Expertise einbringen, während Führungskräfte in Gesprächen auf individuelle An­liegen eingehen können.

Transparenz und Vertrauen schaffen positive Feedbackkultur

Wichtig ist, dass Employee Listening kein einmaliges Ereignis bleibt. „Es muss als kontinuierlicher Prozess etabliert werden, um langfristig Verbesserungen zu erzielen“, so Post. Das Employee Listening funktioniert zudem nur in einer offenen und trans­parenten ­Unternehmenskultur. Führungskräfte sollten ihren Mitarbei­tenden auch hier auf Augenhöhe begegnen, ihre Meinungen ernst nehmen und akzeptieren sowie ihren Einschätzungen Wert ­beimessen. Ebenfalls sind Vorgesetzte gefordert, Mitarbeitende regelmäßig und rechtzeitig zu informieren. Schließlich können Mitarbeitende nur das bewerten, worüber sie auch tatsächlich im Bilde sind.

Employee Listening erfordert aber auch Geduld: Entscheidungen dauern so möglicherweise länger, da Mitar­beitende oft mehrfach in den Prozess einbezogen werden müssen. Doch der Aufwand lohnt sich: Führungskräfte können auf diese Weise fundierte Entscheidungen treffen, die auf den tatsächlichen Bedürfnissen der Beschäftigten basieren. Dadurch wird auch die sogenannte „Elfenbeinturm“-Mentalität vermieden, bei der Führungskräfte Entscheidungen treffen, ohne die Realität am Arbeitsplatz zu kennen.

Employee Listening erfolgreich umsetzen

  • Unterschiedliche Formate nutzen, zum Beispiel Workshops, Umfragen, Gespräche, Ideenwerkstatt, Fragerunden
  • Mehre Kommunikationskanäle einsetzen, digitale und analoge, zeitlich und örtlich begrenzte und unbegrenzte, wie ein Feedbackkanal
  • Barrierefreie Kommunikationswege wählen, damit Inklusion gewährleistet ist
  • Über mehrere Ebenen kommunizieren, also über Hierarchie-, Abteilungs- oder Organisationsgrenzen hinweg
  • Hilfreiches Tool: Die „KulturDialoge: Prävention“ sind im offenen Workshopformat umsetzbar

Doch nicht bei allen Veränderungsprozessen lassen sich Mittel der Beteiligung wie das Employee Listening frei einsetzen. Bei Entscheidungen im Unternehmen oder in der Einrichtung, die von der obersten Leitung gefällt werden, sollten Führungskräfte transparent machen, bis zu welcher Grenze eine Beteiligung möglich ist. Das beugt möglichem Frust vor.

 

Belegschaft an Arbeitsplatzgestaltung beteiligen

Um auf das eingangs beschriebene Szenario zurückzukommen: Wie kann Employee Listening dazu bei­tragen, Mitarbeitende aktiv in die Neuge­staltung der Arbeitsplätze einzube­ziehen?
Zunächst sollten Führungskräfte ein Stimmungsbild der Belegschaft ein­holen, um deren Wünsche und Sorgen zu den geplanten Änderungen zu verstehen und berücksichtigen zu können. „Geeignet wäre zum Beispiel ein Dialogformat, das eine offene Kom­munikation zwischen Beschäftigten und Führungskräften implementiert, um einerseits über Ideen und Vor­haben zu informieren und andererseits darüber in den Austausch zu kommen“, sagt Post. Gegebenenfalls sei es empfehlenswert, im Anschluss ­kleine Arbeitsgruppen zu bilden, die in Workshops gemeinsam gute, all­tags­taug­liche Regeln für Desk Sharing erar­beiten oder Anforderungen für Meetingräume definieren. Der gesamte Prozess sollte transparent ablaufen, indem die Ergebnisse regelmäßig ­allen Mitarbeitenden zugänglich gemacht und gemeinsam diskutiert ­werden.

Praxisbeispiel: Hier gelingt Employee Listening

Das Amtsgericht Wolfen­büttel geht als gutes Beispiel voran, wie man die Bedürfnisse von Beschäftigten abfragt und in Veränderungsprozesse integriert.

Ein solcher Beteiligungsprozess kann sich über mehrere Monate erstrecken. An seinem Ende stehen konkrete Maßnahmen, auf die sich die beteiligten Teams geeinigt haben und die anschließend umgesetzt werden sollen. Diese Vorgehensweise mag länger ­dauern – sie verbessert aber nicht nur die Arbeitsbedingungen nachhaltig, sondern steigert auch die Zufriedenheit und das Engagement der Mitar­beitenden. Und das bindet sie an das Unternehmen.