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Personalmangel im öffentlichen Dienst: Fachkräfte dringend gesucht
Wenn Unternehmen aufgrund zu weniger Bewerbungen offene Stellen nicht besetzen können, fehlt nicht nur Arbeitskraft, sondern auch Know-how. © Getty Images/shapecharge

Führungskultur : Personalmangel im öffentlichen Dienst: Fachkräfte dringend gesucht

Im öffentlichen Dienst bleiben viele Stellen unbesetzt. Mit guter Führungskultur kann die Verwaltung gegensteuern, denn: Zufriedene Beschäftigte sind die beste Werbung.

Fehler passieren. In jedem Job und in jedem Projekt. Entscheidend ist, wie man mit ­ihnen umgeht. „Fehler werden gefeiert“, so lautete ein Urteil über das Landratsamt Ebersberg im Audit zum Wettbewerb „sicher.­gesund.miteinander“ der Kommunalen Unfallversicherung Bayern/Bayerische Landesunfallkasse (KUVB). Das Landratsamt erhielt im Jahr 2021 den Preis in Gold, und die etwas zugespitzte Aussage zur Fehlerkultur besagt: Bei Misserfolgen wird nicht nach einem Schuldigen gesucht.

Wichtig ist, dass alle aus den Fehlern lernen und sie sich nicht wiederholen. Im selbst betitelten „menschlichen Landratsamt“ Ebersberg steht der Mensch im Zentrum, und die Präventionskultur geht über das gesetzlich geforderte Maß hinaus. Auch das Siegel „berufund­familie“ und das RAL-Gütezeichen „Mittelstandsorientierte Verwaltung“ hat das Landratsamt erhalten. Und in einer Befragung von Bürgerinnen und Bürgern wurde es zum besten von 14 teilnehmenden Landratsämtern ­Bayerns gewählt.

Dem öffentlichen Dienst fehlen bis zu eine Million Fachkräfte

„All das verschafft uns das Image eines modernen und innovativen Arbeitgebers. Das zahlt auf die Arbeitgeberattraktivität ein und wir werben damit“, sagt Brigitte Keller, Abteilungsleiterin Zentrales und Bildung im Landratsamt Ebersberg und Vertreterin des Landrats im Amt.

Der Landkreis setzt besonders auf ­Beschäftigte als Botschafterinnen und Botschafter. Ihre Zufriedenheit führt dazu, dass viele Bewerbungen auf ­offene Stellen eingehen. „In den ­meisten Berufsgruppen fällt es uns nicht schwer, Fachkräfte zu gewinnen“, ­berichtet Brigitte Keller.

Doch so gut wie die bayerische Kommune stehen nur die wenigsten Unternehmen und Einrichtungen da. Studien der Unternehmensberatungen McKinsey und PwC Deutschland besagen, dass dem öffentlichen Sektor bis 2030 zwischen 840.000 und 1 Million Fachkräfte fehlen werden.

Klicktipps

Ein IT-Experte steht vor einem Serverschrank, aus dem viele blaue Kabel herausschauen. Er steckt eine grüne Platine ein.
Die Digitalisierung vergrößert die Nachfrage für IT-Fachkräfte insgesamt. Im öffentlichen Dienst ist der Mangel besonders groß. © Getty Images/SeventyFour

Altersstruktur verschärft Fachkräftemangel

Allein im IT-Bereich fehlen laut einer McKinsey-Studie von Anfang 2023 in Bund, Ländern und Gemeinden bereits jetzt 39.000 Fachkräfte. Auf 140.000 könnte die Zahl bis 2030 anwachsen. Der Hauptgrund für die sich immer mehr verschärfende Lage: der demografische Wandel. Rund ein Drittel der Beschäftigten im öffentlichen Dienst wird bis 2030 in den Ruhestand gehen.

Bereits jetzt zeigen sich erste Auswirkungen des Fachkräftemangels. In einer nicht repräsentativen Umfrage unter den Leserinnen und Lesern von top eins bewerteten 133 Teilnehmende das Ausmaß des Fachkräftemangels mit durchschnittlich 7,2 auf einer Skala von 0 (gering) bis 10 (massiv). Unter den Befragten geben rund 45 Prozent an, dass die Arbeitsbelastung bereits jetzt massiv gestiegen sei. Weitere 42 Prozent sehen eine Tendenz in diese Richtung.

© raufeld

Wiedereingliederung und Wertschätzung sind wichtige Hebel für die Personalgewinnung

Eine hohe Zufriedenheit der vorhandenen Mitarbeitenden hilft, einem Fachkräftemangel in der eigenen Organisation vorzubeugen. „Wenn Beschäftigte sicher und gesund arbeiten können, ist bereits ein grundlegender Schritt getan. Auch weil sie dann seltener die Stelle wechseln“, sagt Tobias Belz, Leiter des DGUV-Sachgebiets Beschäftigungs­fähigkeit.

Wertschätzung sei ebenfalls ein bedeutender Faktor. „Viele Untersuchungen zeigen, dass das Gehalt in aller Regel nicht ganz oben auf der Wunschliste von Beschäftigten steht. Wertschätzendes Führungsverhalten ist noch wichtiger“, so Tobias Belz. Hierauf zahlen zum Beispiel eine Betriebliche Gesundheitsförderung und ein Betriebliches Gesundheitsmanagement ein.

Gleiches gilt für die Wiedereingliederung von Beschäftigten, die aus gesundheitlichen Gründen lange Zeit nicht arbeiten konnten. „Es sendet ein starkes Signal, wenn ich als ­Betrieb zeige, dass ich mich mehr um die ­Beschäftigten bemühe als gesetzlich vorgeschrieben“, sagt Tobias Belz.

Öffentlicher Dienst kann mit flexibler Arbeitszeitgestaltung punkten

Aber auch beim Thema Arbeitszeit­gestaltung können Unternehmen und Einrichtungen ein Zeichen setzen. Von flexiblen Modellen profitieren Beschäftigte, die kleine Kinder oder pflege­bedürftige Angehörige haben, aber auch die, die sich außerhalb des Berufslebens selbst verwirklichen möchten.

„Was auch immer die Bedürfnislage der oder des Beschäftigten ist – wenn man darauf eingeht, stärkt es die Zufriedenheit“, so Tobias Belz. Und wer sich als Betrieb engagiert, kann dies auch in der Außendarstellung nutzen. Unterziehen sich Unternehmen und Einrichtungen wie das Landratsamt Ebersberg anerkannten Audits, dann bekommen sie entsprechende Labels und Gütesiegel – und können damit bereits in Stelle­nanzeigen für sich werben.

Eigeninitative im Kampf um Beschäftigte gefragt

Auf politische Entscheidungen, wie die zur erleichterten Zuwanderung von Fachkräften, haben Unternehmen und Einrichtungen wenig Einfluss. Sie können sich aber in Eigeninitiative auf dem Arbeitsmarkt verstärkt um Gruppen bemühen, die bislang wenig in der Verwaltung präsent sind. „Das Thema Vielfalt beginnt bei der Leitung. Sie kann einzelne ­Bewerbungen im Sinne der Diversität gezielt unterstützen“, so Tobias Belz. Oder die Charta der Vielfalt unterzeichnen und damit nach außen zeigen, wie wichtig ihr das Thema ist. Aufgabe der Führungskräfte ist dann auch, neue Beschäftigte gut einzubinden und als Vorbild für ­Offenheit und Toleranz aufzutreten.

Großes Potenzial besteht in der Inklusion von Menschen mit Behinderung. Der öffentliche Dienst beschäftigt anteilig bereits mehr Menschen mit Behinderung als privatwirtschaftliche Betriebe. Erfolgreiche Praxisbeispiele könnten genutzt werden, um noch mehr Menschen mit Behinderung in Unternehmen und Einrichtungen zu holen.

Kampagnen-Motiv des Justizministeriums NRW. Das Schwarzweißfoto zeigt eine lächelnde Frau. Sie hockt hinter einem grünen Schriftzug, der an Nachwuchsjustizfachwirte appelliert.
Das Justizministerium NRW wirbt in Kampagnen um Nachwuchskräfte und setzt bei der Botschaft auf Sinnhaftigkeit. © Justiz NRW

Die Recruiting-Kampagne des Justizministeriums des Landes ­Nordrhein-Westfalen (NRW)

Ein weiteres Mittel gegen Fachkräfte­mangel ist die Nachwuchsgewinnung. Das Justizministerium des Landes ­Nordrhein-Westfalen (NRW) geht hier besondere Wege. Bereits im fünften Jahr betreibt es intensiv Werbung, um bei Menschen zwischen 15 und 39 ­Jahren das Interesse an bestimmten ­Berufen zu wecken.

Die Kampagne „Mit Recht in die Zukunft – Wege in die ­Jus­tiz“ läuft seit mehreren Jahren unter anderem in sozialen Medien und Zeitungen, in Schulen und auf Studienportalen. Auch Plakate werben für den Berufszweig. „Die Kampagnen ­haben zum Ziel, über die Berufe in der Jus­tiz in NRW aufzuklären, die Bekanntheit der Justiz als Arbeitgeberin zu erhöhen und das Bewerbungsinteresse zu steigern“, sagt Dirk Reuter, stellvertretender Pressesprecher des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen. „Die Werbung fokussiert auf die Sinnhaftigkeit der Berufe. Denn die ist für eine junge Zielgruppe bei der Wahl des Arbeitgebers von großer Bedeutung.“

Über die weiteren Vorteile einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst klärt die Website justiz-karriere.nrw auf. Hervorgehoben werden die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der strukturierte Arbeitsschutz und das gelebte Gesundheitsmanagement.

Praxistipps

So lassen sich soziale Medien für die Fachkräftegewinnung nutzen:

  • Blick ins Unternehmen: Potenzielle Bewerberinnen und Bewerber wollen wissen: Welche Werte vertritt das Unternehmen oder die Einrichtung? Wie ist die Kultur? Über die eigenen Unternehmensseiten oder spezielle Karriereseiten können Behörden zeigen, welchen Stellenwert Sicherheit und Gesundheit haben. Eine offene Kommunikation, Wertschätzung und eine gute Führungskultur sind Aspekte, die besonders in der jungen Generation gefragt sind.
  • Echte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Über Linkedin, Facebook, Instagram, Tiktok und Youtube als den wichtigsten Kanälen bei der Personalgewinnung lassen sich auch Beschäftigte involvieren, die einen Einblick in ihren Job vermitteln. Besonders LinkedIn ermöglicht es, über die persönlichen Profile von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die eigene Arbeit zu zeigen und persönlich ansprechbar zu sein.
  • Keine Floskeln oder Behördensprache: Wer über Tiktok junge Menschen für Ausbildungsplätze gewinnen will, sollte auch junge Menschen zeigen und ihre Sprache sprechen. Bei einer Veröffentlichung von Stellenanzeigen auf ­Social Media sollte schnell und einfach erkennbar sein, wen man sucht, was man bietet und wo Interessierte ihre Fragen stellen können.
  • Zeitnahe Antworten auf Fragen: Social Media leben vom Austausch. Wer im Bewerbungsprozess schnell auf Nachfragen antwortet, zeigt echtes Interesse und Wertschätzung.

(Von Katharina Rönnebeck, DGUV)

Beschäftigte befragt, was den Kern der Arbeit in der Justiz ausmacht

Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, soll darüber hinaus eine Arbeit­gebermarke aufgebaut werden. 2022 startete der Prozess mit Unterstützung einer Werbeagentur, und die Beschäftigten konnten die Marke ­mitentwickeln. In Gruppeninterviews und in einer behördenübergreifenden Umfrage brachten sie sich ein. Für 2024 sei eine nach außen gerichtete Imagekampagne g­eplant, zu der insbesondere eine zielgruppengerechte Ansprache und die Präsenz auf Karriereseiten und in Social-Media-Kanälen gehören, so Dirk Reuter.

Der Landkreis Ebersberg setzt für Stellenanzeigen auch auf traditionellere ­Medien wie das Radio. Und wie im ­Rahmen der Fehlerkultur verfolgt man auch hier den Ansatz, vermeintliche Schwächen in Stärken umzuwandeln. Im Wettstreit um Fachkräfte bewirbt das Landratsamt die „Power der Provinz“. ­