
Führungskultur : Zeit für Führung: Tipps für das Selbstmanagement
Was ist wohl die wichtigste Aufgabe von Führungskräften? Die Antwort ist vermeintlich leicht: Führen! Damit sind das Schaffen guter Rahmenbedingungen sowie die Weiterentwicklung des Teams und der Organisation gemeint. Ausgerechnet dafür fehlt Vorgesetzten aber oft die Zeit. Zu viele fachliche Aufgaben füllen den Terminkalender. Gerade heute erfordern jedoch neue Arbeitsformen, wie hybrides Arbeiten und Homeoffice, sowie Veränderungsprozesse Führungskräfte, die für ihre Beschäftigten da sind, sie motivieren, begleiten und fördern. Nur, wenn sie dazu genügend Zeit haben, können Veränderungen gut gemeistert werden.
Um sich die Zeit für Führung nehmen zu können, sollten Führungskräfte sich ihre Gestaltungsspielräume bewusst machen, so die Einschätzung von Dr. Marlen Cosmar vom Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG). Sich und seine Aufgaben selbst zu reflektieren, sei für ein besseres Selbstmanagement essenziell.
Tipp zum Weiterlesen
Den eigenen Führungsstil hinterfragen und verbessern: Dabei unterstützt die DGUV Publikation Führung – Sicher und gesund durch kulturorientierte Führung.
Die eigene Gesundheit im Blick
Sich freie Zeit für Führung zu verschaffen, bedeutet nicht, von heute auf morgen alles abzusagen oder keine einzige inhaltliche Aufgabe mehr zu übernehmen. „Schon graduelle Änderungen reichen aus. Es geht darum, neue Ansätze erst einmal zu testen, ohne dass gleich ein riesiger Schaden entstehen würde“, rät Cosmar. Zehn Prozent der Arbeitszeit dafür zu verwenden, sich mit den Beschäftigten zu befassen, sei ein guter erster Schritt, wenn man sich vorher kaum Zeit dafür genommen hat.
Auch mit Blick auf die eigene Gesundheit ist das gut. Wenn man ständig das Gefühl hat, von Termin zu Termin zu hetzen, kann das ein ernst zu nehmender Stresszustand sein. Langfristig könne sich das negativ auswirken, etwa auf das Immunsystem, den Schlaf oder die Psyche, warnt die Expertin.
Mikromanagement vermindern
Zunächst sollten sich Führungskräfte vor Augen führen, welche Aufgaben ihren Arbeitsalltag besonders stark bestimmen. Dies kann die Arbeitsorganisation sein. „Führungskräfte gestalten mehr oder weniger stark den Arbeitsalltag von Beschäftigten. Sie arrangieren Zusammenkünfte, sie geben Arbeitsabläufe und Termine vor“, nennt Cosmar Beispiele. Wie detailliert eine Führungskraft den Tagesablauf von Beschäftigten beeinflusst, hängt von der Art der Organisation und vom persönlichen Führungsstil ab.
Wirken Führungskräfte sehr stark auf den Aufgabenbereich von Beschäftigten, geben viele und detaillierte Arbeitsanweisungen, wird dies als Mikromanagement bezeichnet. Ein solcher Führungsstil kann Beschäftigte nicht nur demotivieren, sondern ist für Führungskräfte sehr zeitintensiv. „Sie müssen gar nicht immer wissen, woran Beschäftigte gerade arbeiten. Dem modernen Führungsverständnis nach sollten Beschäftigte so selbstständig wie möglich arbeiten“, so Cosmar.
Liebgewonnene Themen abgeben für mehr Zeit für Führung
Ebenfalls übernehmen Führungskräfte häufig fachliche Aufgaben. „Viele kommen aus einer Fachkarriere in eine Führungsposition. Diese Fachexpertise wird von anderen auch wahr- und in Anspruch genommen“, erklärt Cosmar. Das führt dazu, dass Führungskräfte in viele Projekte einbezogen werden, um beispielsweise Ergebnisse fachlich zu bewerten.
Das sei aber zu überdenken, meint die Arbeitspsychologin: „Viele Beschäftigte sind heutzutage selbst hoch spezialisiert und Fachleute auf ihrem Gebiet. Dass alles Wissen bei der Führungskraft liegt, ist meist gar nicht gegeben.“ Sehr wohl sollten Führungskräfte aber wissen, wer wann und zu welchen Inhalten anzusprechen ist. Sich in der Organisation gut auszukennen und die richtigen Ansprechpersonen zu vermitteln, ist die eigentliche Führungsaufgabe. Sich selbst zurückzunehmen, fällt Führungskräften häufig schwer. „Manchmal wollen sie die inhaltlichen Aufgaben gar nicht in einem größeren Umfang abgeben. Viele haben ‚ihr Baby‘, das sie nicht loslassen möchten. Das ist verständlich“, sagt Cosmar.
Bevor Beschäftigte eine Führungsrolle übernehmen, sollten sie deshalb genau prüfen, ob sie sich weiterhin in gewohntem Maße ihren inhaltlichen Aufgaben widmen möchten. Wer nicht von den lieb gewonnenen Themen lassen möchte, wird in einer Führungsposition vielleicht auf Dauer unglücklich.
Ideen
Vier Tipps für ein besseres Zeitmanagement
- Bewusst planen: Am Arbeitstag zwischendurch immer wieder zu überlegen, was denn nun als Nächstes ansteht, kostet Zeit. Stattdessen am Morgen den Tag in Ruhe planen und sich vornehmen, was man genau wann schaffen möchte.
- Termin mit sich selbst: Im Kalender mithilfe der Termin-Funktion Zeit für bestimmte Aufgaben blocken. So bleiben sie im Blick und die Zeit wird von anderen Terminen frei gehalten.
- Bitte nicht stören: Konzentriertes Arbeiten gelingt besser, wenn Telefon und E-Mail-Posteingang nicht dazwischenfunken. Empfehlenswert ist es, Signaltöne und andere Benachrichtigungen hin und wieder zu deaktivieren.
- Bündeln: Aufgaben gleicher Art sollten gebündelt in einem Schwung erledigt werden – zum Beispiel E-Mails beantworten, Bewerbungen sichten oder Telefonate führen. Das geht schneller, als immer wieder neu anzusetzen.
Aktiv die eigene Rolle hinterfragen
Führungskräfte sollten offen dafür sein, die eigenen Aufgaben zu reflektieren. Um sich mehr Zeit für andere Aufgaben zu verschaffen, können sie sich die Fähigkeiten der Beschäftigten zunutze machen und sie gegebenenfalls fachlich weiter qualifizieren. „Es ist auch wichtig, das nicht als Wegschieben von Verantwortung oder Arbeitslast zu verstehen. Vielmehr geht es darum, Potenziale zu heben. Das kann sogar dazu führen, dass Aufgaben effizienter laufen, wenn mit der Führungskraft eine Schnittstelle wegfällt und weniger Personen involviert sind.“
Um solche Potenziale zu heben, ist es wichtig, dass sich Führungskräfte regelmäßig mit Beschäftigten zusammenzusetzen. Das kostet zwar Zeit – doch ist es Zeit, die ein Team, eine Abteilung oder eine Organisation wieder reinholt, weil sich die Zusammenarbeit langfristig verbessert.