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Fit, fitter, Führungskraft
Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion. Verhalten sie sich gesundheitsbewusst, färbt das auf die Beschäftigten ab. © Getty Images/sorbetto

Gesundheitsschutz : Fit, fitter, Führungskraft

Wir sind nicht dafür gemacht, nur zu sitzen. Betriebliche Unterstützung und persönliche Rituale helfen, sich und das Team fitter zu machen.

Im Auto und im Büro sitzen – ruhig und freundlich, obwohl Zeitdruck und widersprüchliche Anforderungen den Puls hochtreiben –, abends endlich essen und dann noch schlecht schlafen: So sieht oft der Alltag des Managements aus. Die möglichen Folgen bekommt Prof. Dr. Curt Diehm zu sehen: mentale Erschöpfung, Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck.

Als Ärztlicher Direktor der Max-Grundig-Klinik im Schwarzwald weist der Internist darauf hin, dass die Kombination aus regelmäßigem Sport, Fleischkonsum in Maßen und Verzicht auf Rauchen gesundheitliche Risiken drastisch reduziert. Diese Zusammenhänge zwischen Verhalten und Gesundheit sind in Management-Etagen wohlbekannt. Bei einer von der Klinik beauftragten Befragung gaben zwei Drittel von 1.000 Führungskräften an, regelmäßig Sport zu treiben. Nur jede zehnte Führungskraft raucht und auch der Fleischkonsum geht zurück – vor allem bei weiblichen und jüngeren Führungskräften.

Die Einsicht ist da, allein die Zeit fehlt

An Einsicht, mehr für die eigene Fitness zu tun, mangelt es weniger als an der Zeit dafür. Das jedenfalls gab mehr als die Hälfte der Befragten an. Der Arbeitsalltag von Führungskräften lasse wenig Raum dafür, ausgewogen zu essen, sich regelmäßig um die eigene Fitness zu kümmern und genug Zeit für Familie und Freundeskreis zu haben. Die Initiative Gesundheit und Arbeit (iga), eine Kooperation der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung, hat die Zusammenhänge von Führung und Gesundheit im Forschungsprojekt „iga.Radar“ analysiert.

„Damit Führungskräfte zwischen dem Druck von oben und unten nicht Wohlbefinden und Gesundheit einbüßen, müssen sie auf sich achten und bei Überlastung frühzeitig gegensteuern, was vielen Führungskräften allerdings oft nicht gelingt“, heißt es im iga.Report 29 „Führungskräfte sensibilisieren und Gesundheit fördern“, der die Ergebnisse der Befragung zusammenfasst.

Tipp zum Weiterlesen

Vielfältige Impulse hält der iga.Report 29 „Führungskräfte sensibilisieren und Gesundheit fördern“ bereit.

Ungesunde Sandwich-Position

Sabine Can, Leiterin des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) der Stadt München, hat das mittlere Management im Blick: „Das ist oft eine einsame Rolle. Wer zum mittleren Management gehört, ist nicht Teil des Teams, aber auch nicht im Kreis des Top-Managements. Der Druck von oben muss – wenn auch gefiltert – doch weitergegeben werden.“

Demnach ist eine Führungskraft aus Sicht der Beschäftigten je nach Situation entweder Ressource oder Stressor. Dabei komme es vor allem darauf an, wie gesund sich die Führungskraft selbst verhalte, betont Prof. Dr. Jörg Felfe, der als Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologe von Seiten der Helmut-Schmidt- Universität in Hamburg am iga.Radar beteiligt war: „Vorgesetzte sind Vorbilder für Karrieremodelle im Unternehmen.“

Eigenes Verhalten reflektieren

Pausenkultur und ständige Erreichbarkeit sind Beispiele, an denen die BGM-Leiterin Can die Rolle als Vorbild festmacht: „Wer regelmäßig in die Pause geht, macht deutlich, dass es erwünscht und wichtig ist. Das klingt banal, hat aber einen großen Einfluss auf das Team.“

„Mir ist das sehr bewusst geworden, als ich trotz eigener Krankschreibung eine E-Mail an Teammitglieder gesendet habe. Alle wissen, dass ich keinesfalls erwarte, bei Krankheit zu arbeiten. Im Gegenteil! Und trotzdem hat meine Aktion für Verunsicherung gesorgt. Ich glaube, dass vielen Führungskräften nicht immer bewusst ist, wie stark sie die Kultur ihres Teams prägen.“

Entscheidende Multiplikatorenfunktion

Gerade das direkt mit den Beschäftigten zusammenarbeitende mittlere Management kann durch ein gesundes Verhalten sehr viel bewirken. Führungskräfte sind laut iga.Report 29 die entscheidenden Multiplikatoren im Hinblick auf das gesundheitsbewusste Verhalten der Beschäftigten.

Welche Faktoren darüber entscheiden können, erklärt Felfe: „Hier kommen leicht nachvollziehbare psychologische Mechanismen zum Tragen: Angesichts der eigenen Beanspruchung wird es die Führungskraft vielleicht nicht ohne Weiteres akzeptieren, dass sie sich nun auch noch um die Gesundheit der Beschäftigten kümmern soll.“ Ist gesunde Führung also zu viel verlangt? Nein! Doch wenn ein hoher Leistungs- und Zeitdruck auf den Führungskräften lastet und zugleich wenig Handlungsspielraum besteht, wird es kritisch.

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Unterstützung durch die Organisation

Daher ist es unerlässlich, eine Gesundheitskultur im Unternehmen zu etablieren, welche die Führungskräfte sensibilisiert, motiviert und unterstützt. Das kann zum Beispiel darüber geschehen, dass Sicherheit und Gesundheit Teil der Zielvereinbarungen von Führungskräften sind und sie deshalb ein zeitliches und finanzielles Budget dafür erhalten.

Zudem ist die Gefährdungsbeurteilung ein gutes Instrument, um gesunde Arbeitsverhältnisse zu schaffen. Daraus können unter anderem präventive Maßnahmen abgeleitet werden, die zum Beispiel regelmäßige Überstunden oder den Verzicht auf Pausen überflüssig machen.

BGM der Stadt München

Die Stadt München hat die Weichen dafür gestellt: Das BGM basiert auf einer 2009 geschlossenen Dienstvereinbarung, über die Sabine Can berichtet: „Sie ist das Ergebnis einer gemeinsamen Konzeption von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite mit einer hohen Verbindlichkeit. Wer an der Entwicklung beteiligt ist, sitzt auch bei der Umsetzung mit im Boot. Somit ist die Dienstvereinbarung konkreter als eine Absichtserklärung in einem Leitbild, die aber trotzdem nicht fehlen darf.“

Die Stadt München setzt bei den Arbeitsbedingungen an, zum Beispiel mit einer ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilung. „Das Wichtigste ist für uns der Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Das gilt auch für die etwa 3.500 Führungskräfte“, erklärt Can und zeigt zugleich Grenzen auf. „Da wir Steuergelder investieren, können wir nicht mit individuellen Check-up-Programmen, Fitness- oder Ernährungsplänen fürs Management punkten wie einige Unternehmen, die dafür regelmäßig als besonders gesundheitsorientiert ausgezeichnet werden.“

Ansprache im geschützten Raum

Für die mehr als 40.000 Beschäftigten unterschiedlichster Berufe, die für die Stadt München tätig sind, gibt es ein umfangreiches Angebot zu Ernährung und Bewegung wie Aktionstage und Betriebssport, gesundheitliche Vorsorgeuntersuchungen, Aufklärung zur Prävention beispielsweise von Diabetes sowie zu psychischer Belastung. Aber erreichen solche Maßnahmen auch die Führungskräfte selbst?

„Das ist sehr unterschiedlich“, erklärt Can. „Wir haben festgestellt, dass Führungskräfte eher einen geschützten Rahmen suchen, um sich mit Gesundheit zu befassen.“ An Aktionstagen und ähnlichen Angeboten nehme das Management aus Zeitmangel nicht teil. „Auf Veranstaltungen, die auf Bedürfnisse der Führungskräfte zugeschnitten sind, haben wir jedoch große Resonanz. Auch zu Vorträgen kommt das Management mit der Erwartung, dort etwas für sich persönlich mitnehmen zu können“, so Can.

Training plus Entlastung für Körper, Gehirn und Nerven

Viele Managerinnen und Manager schwören auf Fitness-Einheiten, um nach Feierabend abzuschalten – dadurch werden tatsächlich die Stresshormone im Blut abgebaut. Während unsere Vorfahren dank der Stresshormone besser kämpfen oder flüchten konnten, schießt beim Menschen im Bürostuhl nur der Blutdruck in die Höhe.

Das Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) unterstreicht zudem, dass es im Job um Fitness von Körper und Geist geht: Je früher das Training beginnt und je andauernder trainiert wird, desto bessere Effekte lassen sich erzielen.

Mentale Fitness

Ähnlich wie bei einem Muskel kann laut den IfADo-Erkenntnissen nur das trainierte Gehirn Spitzenleistungen erbringen. Cans Vorgesetzte Irmgard Franken bestätigt, dass sie im Laufe ihrer Berufsjahre merke, wie wichtig mentale Fitness und zudem die Entlastung des Gehirns und der Nerven sei.

„Meine persönliche Strategie ist, unnötige Stressfaktoren bei der Führung zu vermeiden wie unklare Arbeitsaufträge, schlechte Urlaubsplanung, mangelhafte Information. Vor allem aber mache ich mir klar, dass nichts fix ist. Man kann aus allem etwas machen. Das hat die Corona-Krise einmal mehr gezeigt.“ Für ihre körperliche Fitness nutzt die Managerin konsequent Gelegenheiten im Alltag, zum Beispiel Treppe statt Aufzug, und fühlt sich gesund.

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Tägliche Routinen helfen

Auch Internist Diehm rät zu solchen Routinen, um trotz Zeitmangels die eigene Gesundheit zu stabilisieren: „Nicht der Tag oder die Woche müssen inszeniert werden, aber ein paar Rituale geben ein Gerüst für gesunde Handlungen, die schlechte Gewohnheiten weniger werden lassen. Genau darum geht es.“ Laut der Studie der Max-Grundig-Klinik pflegt etwa ein Drittel der befragten Führungskräfte Entspannungstechniken wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder Meditation.

Der Professor kommentiert: „Zu wenige, denn genau solche Methoden lassen sich eigentlich leicht und für nur wenige Minuten in einen anstrengenden Arbeitsalltag einbauen.“ Davor, sich in Sachen Fitness zu überfordern, warnt Diehm hingegen. Vor allem Managerinnen und Manager neigten dazu, ihre Leistungsgrenzen auszutesten. Es muss nicht der nächste Marathon, Iron Man oder eine jährliche Fastenwoche sein, um fit zu bleiben. Morgens und abends ein Stück des Arbeitswegs zu Fuß oder per Rad zurückzulegen, fünfmal Obst und Gemüse sowie ein paar Dehn- und Entspannungsübungen pro Tag helfen schon, Stress abzubauen und den negativen Folgen des Sitzens entgegenzuwirken.

Autorin: Miriam Becker