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Klimawandel: Mehr Allergien, mehr Insektenstiche
Hatschi! Die globale Erwärmung befördert neue Allergene und verlängert die Blühzeiten © Adobe Stock/NordStock

Gesundheitsschutz : Klimawandel: Mehr Allergien, mehr Insektenstiche

Durch Klimawandel nehmen auch allergische Erkrankungen zu. Führungskräfte müssen diese Risiken kennen und rechtzeitig aktiv werden.

Im Frühjahr erwacht die Natur zu neuem Leben, alles blüht, die Temperaturen steigen. Doch die ersten wärmeren Tage markieren auch den Start der Allergiesaison. Für Menschen mit Heuschnupfen und anderen allergischen Erkrankungen beginnt die Zeit der tränenden Augen, der laufenden Nase und anderer, zum Teil schwerer gesundheitlicher Einschränkungen. Umso beunruhigender sind die Prognosen, wonach die Allergiesaison künftig noch länger und intensiver ausfallen dürfte. Vor allem Beschäftigte, die verstärkt luftgetragenen Allergenen wie Pollen ausgesetzt sind, müssen daher in den Fokus des betrieblichen Gesundheitsschutzes rücken.

Verlängerte Wärmeperioden bedeuten auch verlängerte Blühzeiten

Ein Grund für die Zunahme von Allergien ist der Klimawandel, denn dieser „beeinflusst Auftreten, Häufigkeit und Schwere allergischer Erkrankungen“, heißt es im „Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit“ des Robert Koch-Instituts (RKI). Schon jetzt hätten allergische Erkrankungen ein „epidemisches Ausmaß“ erreicht, sagt Prof. Dr. Monika Raulf, Abteilungsleiterin des Kompetenz-Zentrums Allergologie/Immunologie am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA).

Verlängerte Wärmeperioden und jahreszeitlich verschobene Niederschläge verlängern auch die Blühzeiten und somit die Pollensaison. „Auch die steigende CO2- Konzentration kann die Pflanzenproduktivität und die Pollenmenge erhöhen. Zudem kann Klimastress, etwa durch Wassermangel, das allergene Potenzial der Pollen verändern.“ In der Folge treten neue Allergien auf, die auch bisher beschwerdefreie Menschen betreffen können.

Verschlimmern oder verändern sich bekannte Symptome oder treten sie zum ersten Mal auf, ist schnelles Handeln gefragt, denn: „Werden allergische Symptome nicht richtig erkannt und behandelt, können sie zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bis hin zu Personalausfällen führen“, sagt Raulf. Arbeitgebende müssen diese neuen oder veränderten Risiken in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen und entsprechende Schutzmaßnahmen ableiten.

Meist werden Führungskräfte mit dieser Aufgabe betraut und sollten daher zum Thema weitergebildet werden. Raulf rät außerdem, Allergikerinnen und Allergiker auch unabhängig vom Arbeitsplatz zu Schutz- und Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Hier kann der betriebsärztliche Dienst unterstützen.

Klicktipp

Hier gibt es weitere Impulse zu den Auswirkungen des Klimawandels.

Risiken für Beschäftige am Arbeitsplatz

Bei Allergien im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz sollten zwei Formen berücksichtigt werden, so die Expertin. Auf der einen Seite die Allergie durch Umweltallergene wie Haselpollen. Auf der anderen Seite müssen Führungskräfte und Verantwortliche für den Arbeitsschutz die sogenannten Berufsallergene im Fokus haben, die spezifisch an Arbeitsplätzen vorkommen. „Dazu gehört etwa der Pilz Cryptostroma corticale, der bei Ahornbäumen die Rußrindenkrankheit hervorruft und auch von den Klimaveränderungen profitiert. Beschäftigte können während der Holzfällung einschließlich Holzbe- und -verarbeitung gesundheitliche Beschwerden entwickeln“, sagt Raulf.

Die beschriftete Illustration zeigt mithilfe von Symbolen, wie die globale Erwärmung zu mehr Allergien führt.
So hängen die globale Erwärmung und die Allergie- und Insektenstich-Risiken zusammen. © Raufeld

Zecken- und Mückenstiche: unterschätzte Gefahr

Die klimabedingten längeren Wärmeperioden haben aber noch andere Folgen. „So gehören beispielsweise Zecken, die wärmere Lufttemperaturen bevorzugen, ebenfalls zu den Profiteuren des Klimawandels“, erläutert Raulf. „Zecken übertragen nicht nur Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), sondern können auch Sensibilisierungen induzieren.“ Durch den Zeckenstich übertragene Stoffe können also Allergien auslösen. Ebenso werden neue Mückenarten in Deutschland heimisch, etwa die Asiatische Tigermücke. Sie kann Chikungunya- und Zika-Viren übertragen. Zikavirus-Infektionen können laut RKI bei Schwangeren zu Fehlbildungen beim Fötus führen – und mit dem Chikungunya-Fieber können starke, teils Monate anhaltende Muskel- und Gliederschmerzen einhergehen, heißt es beim Umweltbundesamt.

Auf dem Bild ist die Hand eines Mannes zu sehen, die eine andere Hand mit Insektenschutzspray besprüht.
Insektenschutzspray benutzen: Maßnahmen wie diese müssen Führungskräfte im Blick haben © Getty Images/Liudmila Chernetska

 

Umso wichtiger ist Prävention. Gegen FSME kann man sich impfen lassen, gegen Borreliose, Chikungunya- und Zika-Viren bislang noch nicht. „Deshalb müssen Risikogruppen weitere Schutzmaßnahmen ergreifen“, betont Monika Raulf. Die Umsetzung der Maßnahmen sollten Führungskräfte im Blick haben.

Checkliste: Schutz vor Allergien und Insektenstichen

Wer ist wo gefährdet?

  • Outdoor-Worker sind besonders gefährdet
  • In Innenräumen kann die Herstellung von neuen Produkten zu neuen beruflichen Allergenquellen führen

Welche Maßnahmen schützen?

  • Risiken mithilfe der Gefährdungsbeurteilung ermitteln
  • Schutzmaßnahmen nach dem STOP-Prinzip ableiten (Substitution vor technischen vor organisatorischen vor personenbezogenen Maßnahmen)

Schutz vor Allergien nach dem STOP-Prinzip:

Substitution:

  • Etwa Tätigkeiten nach drinnen verlagern oder Outdoor-Arbeit nach Pollensaison richten

Technisch:

  • Zum Beispiel maschinelle, geschlossene Verfahren anwenden, etwa beim Fällen von Bäumen mit der Rußrindenkrankheit

Organisatorisch:

  • Führungskräfte weiterbilden, Beschäftigte unterweisen

Persönlich:

  • Zum Schutz vor Allergenen: Zum Beispiel Atemschutz tragen, symptomatische Medikamente einnehmen (nur auf ärztliche Empfehlung)
  • Zum Schutz vor Insekten: Schützende Kleidung tragen, Insektenschutzsprays nutzen

Führungskräfte sollten auf Risiken reagieren

Doch wie präsent sind diese und weitere Auswirkungen des Klimawandels? In einer DGUV-Umfrage gab die Hälfte der befragten Führungskräfte an, dass in ihrem Betrieb bereits Maßnahmen ergriffen wurden oder geplant sind, um auf Folgen des Klimawandels zu reagieren. Die repräsentative Umfrage zum Thema „Auswirkungen des Klimawandels auf die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ wurde 2022 durchgeführt. Die andere Hälfte sollte dringend nachziehen, denn: „Gefahren durch den Klimawandel sollten frühzeitig adressiert werden. Viele Berufsgenossenschaften und Unfallkassen haben das schon erkannt und informieren dazu. Materialien und Fortbildungen sollten adressatenspezifisch gestaltet werden“, so Raulf.

Wichtig findet die IPA-Expertin auch, das Bewusstsein auf allen Ebenen des Arbeitsschutzes zu schaffen, „denn die Folgen des Klimawandels betreffen nicht nur Eisbären in der Arktis, sondern uns alle in den unterschiedlichen Bereichen unserer Lebens- und Arbeitswelt“.