Kolumne : Ohne Schmierstoff geht es nicht
Sie wissen ja, dass Sie als Führungskraft für so gut wie alles zuständig sind. Neben Ihrer eigentlichen Funktion und Rolle wären das: liebenswürdige Verabschiedungen in den Urlaub, ebenso die Begrüßung nach demselben. Dann: Gratulation zum Firmenjubiläum, Geburtstag, zur Hochzeit, Geburt der Kinder, Scheidung und so weiter.
Interesse für Hunde, Katzen und sonstige Haustiere sowie die Kenntnis über Hobbys, Verwandte und Wohnverhältnisse. Auch für Zahlen, Daten, Fakten aller Art, den Brandschutz und das Objektmanagement sind Sie verantwortlich. Wer hält eigentlich die Büroküche sauber? Wer organisiert die Weihnachtsfeier? Wie kommt der neue Azubi ins Haus und an den Rechner?
Markieren Sie bitte mit einem Leuchtmarker, was davon wirklich Führungsaufgaben sind. Und was davon psychologischer und sozialer Schmierstoff, der Reibung und Verschleiß verringert sowie zur Kühlung, Schwingungsdämpfung und … Genug der Physik, zurück zur Psychologie: Schmierstoff, den Sie nicht unterschätzen sollten! Für den man allerdings neben einer Engelsgeduld Zeit, Energie und eine Persönlichkeit mitbringen sollte. Also nach Definition der Psychologie angeboren.
Sich in diesem Umfang um die Belegschaft zu kümmern, liegt nicht allen – ich erlebe auch frische Führungskräfte, die eher fassungslos sind, dass all das Zeug auf der Beziehungsebene plus Kekse und Small Talk wirklich ihr Job sein soll. Als Arbeitspsychologin kann ich Ihnen sagen, dass es so nicht in Ihrer Stellenbeschreibung steht – aber es hilft der Stimmung ungemein. Es geht hier um Motivation, Bindung, die Schaffung eines Wohlgefühls des Umsorgtseins. Es hat etwas Väterliches und Mütterliches.
Wohlgefühl schaffen, das ist schwer trainierbar
Ich halte es aus der Sicht der Personalentwicklung leider für eher schwer trainierbar. „Bitte, Frau Wohlgemut, zeigen Sie uns in einem kleinen Rollenspiel, wie Sie Frau Kannnichtanders eine positive Rückmeldung zu ihren Arbeitsrückständen geben.“ „Basteln Sie Ihrem Team einen Adventskalender!“ „Denken Sie sich bitte auf diesem Arbeitsblatt zwölf Lobpreisungen für jedes Teammitglied aus.“ Das Fingerspitzengefühl für gute, situative und individuelle Anlässe, um jemandem Anerkennung zuteilwerden zu lassen, ist schwer vermittelbar. Manche brauchen dafür Unterstützung.
Lob und Anerkennung einfordern
Es hilft, wenn das Team die Attitüde eines übersehenen Großfamilienkindes besitzt, Sie auf Gelegenheiten für Lob und Anerkennung hinzuweisen: „Ist mir das nicht wirklich gut gelungen?“ „Freuen Sie sich nicht auch, dass ich nach drei Wochen Urlaub gesund und heil zurückgekehrt bin?“ „Ist Ihnen aufgefallen, dass ich heute jedes Mal ans Telefon gegangen bin, wenn es geklingelt hat?“
Allerdings halte ich es auch für legitim, dass Sie während eines harten Arbeitstages im Großraumbüro rufen: „Wer möchte mir gerade was Nettes sagen?“ oder „Gebt es zu – ohne mich wäre es hier halb so schön!“ Gehen Sie als Vorbild voran und verlangen Sie Lob und Anerkennung, wo immer es geht. Sagen Sie bitte nur nicht, dass Sie das von mir haben.