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Es immer allen recht machen?
Wenn Führungskräfte versuchen, es allen recht zu machen, kommen sie schnell an ihre Grenzen. © raufeld

Kolumne : Es immer allen recht machen?

Bei ungemütlichen Entscheidungen können Führungskräfte es nicht immer allen recht machen. Warum sie das auch nicht wollen sollten, erklärt Imke König.

Führungskräften, die frisch in ihre Rolle gekommen sind, gebe ich gerne nach ihrem ersten Jahr eine Postkarte, auf der steht: „Sie können es nicht allen recht machen – in dieser Erkenntnis liegt eine große Freiheit.“

In diesem schönen Spruch liegt auch die stressmindernde Erkenntnis, dass sie es nicht nur nicht allen recht machen können, sondern es hoffentlich auch nicht wollen – weil es zu Überforderung führt und weil alle, die mit ihnen arbeiten, auch eine Selbstverantwortung haben.

Imke König ist Diplom-Psychologin, Psychotherapeutin und Coach. In ihrer top eins-Kolumne gibt sie Führungskräften Tipps für eine ausgewogene Work-Life-Balance und effizientes Stressmanagement, Illustration: Raufeld Medien
Imke König ist Diplom-Psychologin, Psychotherapeutin und Coachin. In ihrer top eins Kolumne gibt sie Tipps für den Führungsalltag und berichtet von ihren Beobachtungen aus der wilden Arbeitswelt © raufeld

Anderen auf die Füße treten

Und dann gibt es noch einen weiteren Aspekt: Eine Führungskraft sollte es gar nicht allen recht machen! Das ist sowohl für sie selbst als auch für die Teams eine sehr wichtige Aussage und Ansage: Führung ist durch ihre Rolle leider ab und an genau dafür da, jemandem oder ­Teilen des Teams auf die Füße zu treten, ohne Rücksicht darauf, dass dadurch manche gewinnen und andere verlieren. Zum Beispiel, wenn es um die schwierigen, zum Teil wiederkehrenden Fragen geht, wie „Wer darf an Weihnachten freinehmen?“, „Wer macht heute Spätdienst?“ oder „Wer bekommt die einzige Prämie, die in diesem Jahr ausgeschüttet werden darf?“.

Bei solchen „Gerechtigkeits-­The­men“ könnten Sie jetzt glauben, dass ja hier eigentlich ein einfaches System greift: eine logische Reihenfolge, wer jetzt dran ist. Prinzipiell stimmt das auch: Teams regeln das in der Regel untereinander. Hier finden Tauschgeschäfte und Win-win-Situationen statt.

Aber das System von Reihenfolge-Listen und Eine-Hand-wäscht-die-andere kommt an seine Grenzen, wenn jemand sagt: „Nö, sehe ich nicht ein. Ich trage mich jedes Jahr für die Weihnachtsferien ein, denn ich bin hier nun mal am schnellsten. Außerdem habe ich den Urlaub schon gebucht. Und ihr nicht! Mir doch egal.“

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Ein Anspruch auf Bevorzugung kann sich außerdem an Kriterien wie dem Alter entzünden. Ältere sind mög­licherweise erschöpft, haben schon so viel geleistet, sind einfach schon so lange da. Jüngere im Team haben dagegen zum Beispiel kleine Kinder oder kennen sich noch nicht so gut mit dem Antragsprozess aus. Es kann unüberschaubar werden, wenn all diese Faktoren unter einen Hut zu bekommen sein sollen.

Führungskräfte für faire Verteilung

Wenn also das Kollektiv, das ja ­gemeinsam entscheidet und fair mitein­ander abspricht, an seine Grenzen gerät, dann ist eine der wichtigsten Aufgaben der Führungskraft, eine faire Verteilung durchzusetzen und es auf keinen Fall allein dem Team zu überlassen. Hier gilt es dann, eben nicht zu versuchen, es allen recht zu machen. Besser ist es, die hierarchische Position zu nutzen. Durch sie können Vorgesetzte – ich meine zum Glück – unfairen Teammitgliedern auf die Füße treten und diese genauso den Spätdienst machen lassen wie alle anderen.

Dies also zum Trost: Wenn nicht alle die Führungskraft gut leiden können, hat sie wahrscheinlich etwas richtig gemacht. Übrigens sehen das die meisten im Team genauso. Die mit der Fairness und Rücksichtnahme. Und genau die gilt es zu schützen!