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Arbeitszeit erfassen: Warum Beschäftigte und Unternehmen profitieren
Die Arbeitszeiterfassung unterstützt Organisationen dabei, die Arbeit für ihre Belegschaft gesund und sicher zu gestalten. © picture alliance/dpa/Sina Schuldt

Recht : Arbeitszeit erfassen: Warum Beschäftigte und Unternehmen profitieren

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bremst Flexibilisierung nicht aus. Wer Arbeitszeit erfasst, behält die Gesundheit und Sicherheit von Beschäftigten besser im Blick.

Fester Arbeitsplatz und feste Arbeitszeiten: Das ist in immer mehr Branchen und Unternehmen Schnee von gestern. Die Flexibilisierung hat die Arbeitswelt erfasst, auch die der öffentlichen Hand. Flexibel und anpassungsfähig zu sein, sind heute Eigenschaften, mit denen Beschäftigte wie Organisationen gleichermaßen punkten können.

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts am 13. September 2022 scheint deshalb wie aus der Zeit gefallen: „Arbeitgeber sind […] verpflichtet, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen.“

Flexible Arbeitszeiten verführen zu Mehrarbeit

„Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung steht der Flexibilisierung von Arbeitszeit aber überhaupt nicht entgegen. Sie sollte stattdessen als wichtiges Instrument gesehen werden, um in einer flexibilisierten Arbeitswelt gesunde und sichere Arbeitsbedingungen zu ermöglichen“,  fasst es Dr. Hanna Zieschang zusammen. Sie ist Leiterin des Bereichs „Arbeitsgestaltung – Demografie“ am Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG).

Flexible Arbeitszeitmodelle wie Vertrauensarbeitszeit bieten ohne Frage viele Vorteile. Wir wissen aber auch, dass Beschäftigte bei dieser Arbeitszeitform im Schnitt mehr arbeiten als vereinbart oder laut Arbeitszeitgesetz vorgeschrieben“, so Zieschang. Insbesondere wenn Beschäftigte im Homeoffice arbeiten, können hohe Arbeitsmengen und ein mangelndes Zeitmanagement dazu führen, dass sie abends länger arbeiten oder seltener Pausen machen. Langfristig leidet darunter ihre Erholungsfähigkeit. Sie fühlen sich erschöpft und überlastet.

Zeiterfassung als Instrument der Selbstkontrolle

Wenn die Beschäftigten ihre Arbeitszeit dokumentieren, kann dies auf einen besseren Gesundheitsschutz und eine höhere Arbeitssicherheit hinwirken. „Mit einer Arbeitszeiterfassung haben Beschäftigte ihre Arbeits- und Pausenzeiten besser im Blick“, sagt Zieschang. Somit unterstütze Arbeitszeiterfassung die Selbstkontrolle der Beschäftigten.

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist dabei nicht mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden. Mittlerweile gibt es viele Optionen, Arbeitszeit elektronisch zu erfassen und auch auszuwerten.

Sicherheits- und Gesundheitskompetenz stärken

Arbeit sicher und gesund zu gestalten, ist Aufgabe der Arbeitgebenden. Wenn Beschäftigte sowie Führungskräfte jedoch im Homeoffice arbeiten, haben Führungskräfte weniger Möglichkeiten, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu beurteilen. Für eine sichere und gesunde Arbeitsgestaltung sind dann auch die Beschäftigten selbst gefragt: Sie müssen befähigt werden, ihre Arbeitszeit eigenverantwortlich so zu gestalten, dass sie sicher arbeiten und sich nicht übernehmen.

Dazu benötigen Beschäftigte eine gute Sicherheits- und Gesundheitskompetenz. Sie sollten zum Beispiel wissen – und motiviert sein, das Wissen auch umzusetzen – wie lange sie laut Arbeitszeitgesetz arbeiten dürfen, wie häufig sie Pause machen müssen und welche gesundheitlichen Risiken sie eingehen, wenn sie festgeschriebene Arbeitszeiten regelmäßig überschreiten. Zu einem guten Zeitmanagement gehört es auch, die eigene Zeit sinnvoll strukturieren zu können. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung unterstützt Beschäftigte darin.

„Selbstregulierung ist übrigens auch für Führungskräfte bedeutsam. Auch für sie kann es wichtig sein, ihre Arbeitszeit festzuhalten, um nicht dauerhaft ihre Leistungsgrenze zu überschreiten“, gibt Zieschang zu bedenken. Führungskräfte sollten zudem mit den Beschäftigten in regelmäßigem Austausch stehen, wie die Arbeitszeiterfassung und die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten, Ruhepausen und -zeiten für beide Seiten am besten gestaltet werden können.

Führungskräfte müssen Arbeitsbedingungen aus der Ferne beurteilen

Die räumliche und zeitliche Flexibilisierung der Arbeitswelt erfordert jedoch nicht nur neue Kompetenzen auf der Seite der Beschäftigten. Auch Organisationen und Führungskräfte müssen dazulernen – zum Beispiel, wie sie die Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten beurteilen, wenn diese regelmäßig zu Hause oder mobil arbeiten. Denn trotz räumlicher Distanz sind Arbeitgebende beziehungsweise Führungskräfte laut Arbeitsschutzgesetz dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung für die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeitenden durchzuführen.

Die Arbeitszeiterfassung hilft Führungskräften dabei, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Die dokumentierten Arbeits- und Pausenzeiten können sie zum Anlass nehmen, um ihre Beschäftigten auf eine gesundheitserhaltende und sichere Arbeitsgestaltung hinzuweisen. Arbeitszeiterfassung ist damit ein wichtiger Baustein beim Arbeitsschutz in einer flexibilisierten Arbeitswelt.