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Risiko Blackout: Im Notfall erreichbar bleiben
Bei längeren Stromausfällen droht eine Krise. Kommunen bereiten sich auf dieses Szenario vor – und richten alternative Kommunikationswege für den Notfall ein. © raufeld

Arbeitssicherheit : Risiko Blackout: Im Notfall erreichbar bleiben

Kommunen rüsten sich für längere Stromausfälle. Ein Fokus: Notfall-Infopunkte.

Ein Sonntagmorgen, 8 Uhr, im Januar 2023. Nur wenige Menschen würden um diese Zeit freiwillig das Bett verlassen. Doch bei einigen Beschäftigten von Kommunen im Kreis Borken schrillte an diesem Morgen das Handy. Sie sollten zu Notfall-Infopunkten (NIP) ausrücken und sie bereitmachen. Mit dieser Übung unter möglichst realistischen Bedingungen probte der Kreis im Münsterland den Ernstfall – die Situation, wenn der Strom ausfällt und alternative Kommunikationswege benötigt werden, um die Bevölkerung zu informieren und von Notfällen zu erfahren. Lediglich die Leitungen der einzelnen Ordnungsämter wussten Bescheid, für alle anderen kam die Übung überraschend.

Schauspielerinnen und Schauspieler meldeten fiktive Notfälle

Schnellstmöglich begaben sich die Beschäftigten zu ihren Einsatzorten, informierten sich über die Lage, fuhren die lokale Notstromversorgung hoch und zogen die Warnwesten an. Kaum hatten sie der Leitstelle gemeldet, dass sie einsatzbereit sind, kamen schon Bür­gerinnen und Bürger auf sie zu, stellten Fragen und meldeten Notfälle – in diesem Falle waren es Schauspielerinnen und Schauspieler.

Notfall-Infopunkt
Um zu testen, wie Meldungen aufgenommen werden, kamen bei der Übung auch Schauspielerinnen und Schauspieler zum Notfall-Infopunkt. © Kreis Borken

Übungen wie diese gehören zur Katastrophenschutzvorsorge im Kreis Borken. Nicht erst seit der 2022 drohenden Energiekrise standen Stromausfälle im Fokus. „Wie wichtig das Thema ist, haben wir in der Schneekatastrophe 2005 erlebt“, sagt Katharina Schroer, heutige Fachabteilungsleiterin Gefahrenabwehr des Kreises Borken. Vor allem im Norden des Kreises war die Stromversorgung zum Teil tagelang lahmgelegt. Die Notsituation zeigte, wie sehr es auf eine gesicherte Kommunikation ankommt.

Die technischen Mittel wurden aufgerüstet: Mit Satellitentelefonie, Starlink-Verbindungen und Digitalfunk stehen verschiedene Lösungen zur Verfügung. Wichtig war auch die Vernetzung der 17 Städte und Gemeinden des Kreises – deshalb wurden diese bei der Erstellung des NIP-Konzeptes eng miteinbezogen. „In einer Arbeitsgruppe – bestehend aus Ordnungsamtsleitungen verschiedener Kommunen, der Polizei und uns als Fachabteilung Gefahrenabwehr – erarbeiteten wir die Schwerpunkte. Mittels Videokonferenzen nahmen wir unsere Kommunen inhaltlich während des Prozesses mit“, sagt Schroer.

Katastrophenschutz-Leuchttürme im Aufbau

Von der Stadt Recklinghausen übernahm der Kreis die Idee für das Konzept der Notfall-Infopunkte (NIP) – zentrale Anlaufstellen für die Bevölkerung mit Notstromversorgung für mehrere Tage. Hier laufen im Ernstfall aktuelle Informationen ein. Dafür sind die Notfall-Infopunkte mit dem „Stab außergewöhnliche Ereignisse“ (SAE) im lokalen Rathaus und der Leitstelle des Kreises vernetzt. Auch können von hier Notrufe abgesetzt werden. „Bei ­einigen soll künftig genügend Strom zur Verfügung stehen, so dass Menschen Babynahrung erwärmen und Akkus aufladen können“, sagt Schroer. Ähnliche Konzepte sogenannter Katastrophenschutz-, kurz Kat-, Leuchttürme gibt es bundesweit. Zum Teil sind sie bereits umgesetzt, zum Teil noch in Planung, um sich für „die größte technische Katastrophe, die wir uns in der Bundesrepublik vorstellen können“, vorzubereiten. So bewertet es Ralf Fischer, Autor des Buches „Rechtsfragen im Katastrophenschutz“.

Notfall-Infopunkte und Katastrophenschutz-Leuchttürme

  • Im Falle eines längeren Stromausfalls und bei Totalausfällen der Telefonnetze sind Notfall-Infopunkte (NIP), die auch Katastrophenschutz-Leuchttürme (Kat-Leuchttürme) genannt werden können, lokale Anlaufstellen für die Bevölkerung. Von hier sind über Funk, Satellitentelefon oder andere ­Kommunikationskanäle noch Notrufe möglich. An den notstromversorgten Anlaufstellen können sich Bürgerinnen und Bürger über die aktuelle Lage informieren.
  • Einzelne Kat-Leuchttürme können auch dazu dienen, die Bevölkerung in gewissem Umfang mit Trinkwasser, Warmwasser und Strom zu versorgen, zum Beispiel um Powerbanks aufzuladen. Unterbringung und Verpflegung zählen nicht zum Angebot.
  • Betrieben werden die Kat-Leuchttürme durch die Kommunen. Sie organisieren für den Katastrophenfall auch das Personal mit Kräften aus Feuerwehr, Hilfsorganisationen und Verwaltungen. In vielen Landkreisen und kreisfreien Städten gibt es bereits Kat-Leuchttürme, in manchen Bundesländern befinden sich solche Einrichtungen noch im Aufbau.
  • Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe fasst die öffentliche Notfallplanung zusammen.

Die NIP werden im Krisenfall hochgefahren. Die Standorte hat der Kreis Borken auf einer eigenen Internetseite für Katastrophenfälle in einer interaktiven Karte festgehalten. Außerdem sind sie in einem Flyer vermerkt, der sich herunterladen lässt, aber auch in gedruckter Form verteilt wird. „Bei einem Stromausfall fallen Telefone und Internet direkt aus. Das Mobilfunknetz ist aber noch zwei bis vier Stunden verfügbar“, so Schroer. Diese Zeit gilt es zu nutzen: die Bevölkerung alarmieren, den Krisenstab einberufen und die Beschäftigten, die sich freiwillig für diesen Dienst gemeldet haben, auffordern, zum NIP zu kommen.

Für ihren Einsatz am Notfall-Infopunkt waren die Beschäftigten eigens geschult worden. Dabei lernten sie zum Beispiel, wie der Notfall-Infopunkt aufgebaut und eingerichtet wird, wie Notfallmeldungen der Bevölkerungen entgegengenommen werden und wie die Zusammenarbeit mit den Rettungskräften funk­tioniert. Zugleich wurde die ­technische Seite erprobt, etwa die Nutzung der Funkgeräte für die Verbindung zum ­lokalen Rathaus und zur Leitstelle des Kreises.

Notfall-Infopunkt Kommunikation
Ein wichtiger Teil der Übung: der Check, wie die Kommunikation im Notfall funktioniert © Kreis Borken

Risiko Blackout – Krisenstrukturen auf mehreren Ebenen

Wie lange die Beschäftigten der Verwaltungen brauchen, um vor Ort einzutreffen und den NIP hochzufahren, war Teil der Übung im Januar 2023. „Wir hatten mit zwei Stunden kalkuliert. Tatsächlich hat es aber nur 50 bis 60 Minuten gedauert, bis die Notfall-Infopunkte hochgefahren waren“, sagt Katharina Schroer. Doch nicht alles klappte auf Anhieb.

So zeigte sich, dass die Leitungen der ­Ordnungsämter nicht am Krisenstab teilnehmen und parallel die NIP leiten konnten: „Der Betrieb der Notfall-Infopunkte benötigt eine eigene Leitung.“ Genau für diese Lektionen braucht es die Übungen. Eine Wiederholung ist daher geplant.

Krisenstrukturen werden im Notfall auf verschiedenen Verwaltungsebenen einberufen. Für den Krisenstab des Kreises sind allein rund 70 Personen einge-plant, die abwechselnd im Schichtdienst arbeiten. Hinzu kommen die „Stäbe für außergewöhnliche Ereignisse (SAE)“ in den einzelnen Kommunen. Ob diese eingerichtet werden, wird je nach Lage entschieden. Wie sie zusammengesetzt sind, hängt auch von der Art der ­Katastrophe ab. Vertreten sind die von der Krise betroffenen Fachbereiche, neben dem Ordnungsamt zum Beispiel Gesundheit und Soziales, Verkehr oder das Veterinäramt.

Bei aller Vorbereitung – im Notfall ist Improvisationstalent gefragt

In der Regel sitzt die Fachbereichsleitung im Krisenstab, aber auch andere Führungskräfte können sich einbringen – etwa in einer Leitungsfunktion der Koordinierungsgruppe Stab (KGS), die rund um die Uhr die geschäftsführende Stelle des Krisenstabs stellt. „Führungskräfte sind im Katastrophenfall mit ihren Fähigkeiten besonders gefragt: Sie können in komplexen Situationen unter Zeitdruck koordinieren, Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen“, sagt Katharina Schroer.

Auch beim Aufbau von Krisenbewältigungsstrukturen können Beschäftigte mitwirken und über ihr Tätigkeitsfeld hinaus Aufgaben übernehmen. „Solche Extraaufgaben in der Krisenvorbereitung bieten gerade für Nachwuchs-Führungskräfte Chancen. Sie können sich einbringen und Neues ausprobieren, zum Beispiel die Weiterentwicklung des Services eines Bürgertelefons für akute Gefährdungslagen“, sagt Schroer. Im Ernstfall ist auch Improvisationstalent gefragt. Denn Katastrophen halten sich nicht an Pläne – und können auch am frühen Sonntagmorgen eintreten.

Pflichten von Unternehmen und Einrichtungen

  1. Stromausfälle und andere Notfallsituationen sind bei der Erstellung und Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung und von Evakuierungsplänen zu berücksichtigen.
  2. Die möglichen Folgen von Stromausfällen variieren je nach Branche und Unternehmen, sind bei zum Beispiel einem Betriebshof anders als in der Verwaltung. Die konkreten Maßnahmen unterscheiden sich daher.
  3. Die Vorkehrungen, die zu treffen sind, können baulich, technisch oder organisatorisch sein. Beispiele sind der Aufbau von Vorräten, etwa an Dieselkraftstoff, die Anschaffung von Notstromaggregaten und die Einteilung von Personal für den Krisenfall. Welche es für welche Unternehmen und Einrichtungen sind, wird zum Teil im Vorschriften- und Regelwerk konkretisiert, etwa in mehreren Arbeitsstättenverordnungen.

Die Unfallkasse Berlin hat eine Auswahl an Vorschriften zusammengetragen.