Führungskultur : Konflikte lösen mit Mediation
In der Teeküche des Büros kann sich so mancher Streit entzünden. Etwa wenn immer wieder dieselbe Person ihr Geschirr nur abstellt und eine andere es in die Spülmaschine räumen muss. So manches Mal ist ein solcher Konflikt auch schon eskaliert. Zwar ist das Geschirr dann oft nur der Auslöser – die eigentliche Ursache des Unmuts ist eine andere. Herauszufinden, worin sie genau liegt und wie eine Lösung aussehen kann, dabei hilft das Verfahren der Mediation.
Mediation geht über Hierarchiegrenzen hinweg
„Mediation ist prinzipiell überall einsetzbar“, sagt Prof. Dr. Cristina Lenz, Vorstand im Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt. Das gilt gleichermaßen für Konflikte zwischen Beschäftigten, auf Leitungsebene, aber auch über Hierarchiegrenzen hinweg.
Lenz empfiehlt, möglichst früh in einem Konflikt auf Mediation zu setzen, bevor die Fronten so verhärtet sind, dass die psychische Gesundheit der Beschäftigten leidet. Eine Mediation zu starten können die Betroffenen selbst vorschlagen. Über die Aufnahme einer Mediation entscheiden dann entweder die Führungskräfte oder die zuständige Personalabteilung.
Kooperationsbereitschaft als Voraussetzung
Grundvoraussetzung für den Erfolg ist, dass alle Beteiligten sich auf das Verfahren einlassen. „Wenn eine Partei nicht will, geht es nicht“, meint Lenz. Denn beide Seiten müssen einen Nutzen für sich erkennen, sollen mitarbeiten und -denken und so das Ergebnis als gerecht empfinden können. Die Mediatorin oder der Mediator geben dabei den Ablauf des Verfahrens vor und moderieren es als neutrale Person. Die Fachleute bringen passende Weiterbildungen bei zertifizierten Anbietenden mit.
Nach separaten Vorgesprächen mit den Konfliktparteien bittet die Mediationsfachkraft beide zusammen an einen Tisch. Lenz empfiehlt, diese Gespräche möglichst in Präsenz zu führen, um Vertrauen zu schaffen. Vorbereitende Gespräche könnten hingegen auch per Videokonferenz funktionieren. Im gemeinsamen Raum geht es zunächst darum, Rahmenbedingungen wie Pausenzeiten zu klären. Das schafft eine gute Grundlage für den weiteren Verlauf.
Gegenseitiges Verständnis aufbringen
In diesem dürfen beide Seiten die Themen nennen, die sie für wesentlich halten. Dies sollte ergebnisoffen und ohne Vorwürfe erfolgen. „Hier werden aber auch erste Emotionen rausgelassen, was ich als Mediatorin kommunikativ auffangen muss“, sagt Lenz. Zu ihrer Rolle gehört auch, das Gesagte zu visualisieren und Unstrittiges wie Zahlen, Daten und Fakten festzuhalten.
Dann kommt der entscheidende Schritt: Beide Parteien sind aufgerufen, sich in die Position der anderen hineinzuversetzen. „Anders als vor Gericht ist in der Mediation entscheidend, dass klar wird, warum jemand so handelt“, sagt die Expertin.
Erst nach dem Perspektivwechsel geht es daran herauszufinden, welche Lösungen es gibt. Zunächst wird hierzu zusammen frei überlegt, ehe die Ideen anschließend einem Realitätscheck unterzogen werden. Auf diese Weise verhandeln beide Parteien über eine für sie zufriedenstellende Lösung. Diese wird in einem schriftlichen Memorandum festgehalten.
Mediationen nach dem Harvard-Konzept moderieren – so geht’s:
- Analyse: Um welche Art Konflikt geht es? Wie ist der Stand? Was sind die Ziele? Wie ist die Mediation in ein vorhandenes Konfliktmanagement eingebunden? Was ist der Auftrag der Fachkraft für Mediation?
- Rahmenbedingungen: Ob persönlich, virtuell oder hybrid – in diesem Schritt wird der Rahmen geklärt (Zeit, Dauer und Ort) und worum es beiden Seiten geht.
- Interessenfindung: Durch einen Perspektivwechsel wird herausgefunden, wie es der anderen Seite geht und warum sie so handelt. Daraus erwächst Verständnis.
- Optionen: Welche Lösungen des Konflikts sind möglich? Zunächst kreativ, dann realistisch das Machbare in den Blick nehmen.
- Verhandeln: Auf Basis der realistischen Lösungsideen wird ausgehandelt, was davon auch umgesetzt werden soll. Diese Lösung wird schriftlich festgehalten.
- Umsetzung: Optional kann die Fachkraft für Mediation die Umsetzung begleiten.
Beschäftigte dürfen Führungskraft hinzuziehen – oder ausschließen
So ein Verfahren braucht Zeit, ganz besonders, wenn der Konflikt schon lange gärt. „Meist reicht ein Gesprächstermin nicht aus, sondern es werden eher zwei bis drei Sitzungen benötigt“, berichtet Lenz aus Erfahrung. Ob bei Konflikten zwischen Kolleginnen und Kollegen die Führungskraft bei der Mediation dabei ist, entscheiden die Beteiligten gemeinsam.
Sie können beschließen, dass es für die Gegensätze auf der Sachebene hilfreich ist, die Führungskraft einzubeziehen. Sie können aber auch das Ergebnis der Mediation vertraulich behandeln. In diesem Fall braucht es aber zumindest eine Rückkoppelung an Arbeitgebende, ob das Verfahren erfolgreich war.
Führungskräfte können Konfliktursachen ergründen
Doch nicht immer lässt sich ein Konflikt ausschließlich per Mediation lösen. Das gilt zum Beispiel bei rechtlichen oder strukturellen Fragen. Es ist jedoch schon ein Gewinn, durch die Mediation genau das herauszufinden. Wenn etwa als Konfliktursache erarbeitet wird, dass ein Kollege seiner Kollegin etwas neidet, das er selbst nicht bekommt, kann die Ursache zwar nicht beseitigt werden.
Führungskräfte können allerdings zumindest die Hintergründe erläutern. „Selbst wenn nicht alles gelöst werden kann, ist ein Mediationsverfahren oft sinnvoll. Denn viele Beziehungen laufen besser, wenn jemand da ist, der sich des Problems annimmt, sich kümmert und dafür sorgt, dass miteinander gesprochen wird“, so Lenz.
Weitere Informationen
Mehr zu Mediation und zertifizierten Fachleuten findet Sie beim Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt e.V. (BMWA)