Führungskultur : Todesfall im Team: Trauer begleiten
Claudia Schmatz-Stockum erinnert sich noch gut daran, wann ihr Team unvermittelt mit einem Trauerfall konfrontiert wurde: „Vor vielen Jahren ist ein junger Fachbereichsleiter dramatisch verstorben“, so die Leiterin des „Teams Chancengerechtigkeit“ der Kreissparkasse Köln. „Da haben wir gemerkt, dass uns das Handwerkszeug fehlt, um mit der Situation angemessen umzugehen.“ Über den Tipp eines Mitarbeiters wurde das Team auf die „Caring Community Köln“ aufmerksam, eine Fördergemeinschaft aus Fachleuten der Palliativ- und Trauerarbeit sowie Unternehmen. Die Mitgliedschaft in dieser Community war der erste wichtige Schritt, um Zugang zum Thema zu finden. Mittlerweile hat die Kreissparkasse Köln eine ganze Reihe von Angeboten etabliert, die trauernde Beschäftigte unterstützen.
Gute Vorbereitung hilft in Ausnahmesituationen
Klar ist: Vor allem ein unerwarteter Todesfall ist immer ein Schock und kann ganze Teams in einen Ausnahmezustand versetzen. Arbeitgebende und Führungskräfte tun gut daran, den Tod zum Thema zu machen: „Im Sinne aktiver Präventionskultur gilt es, vorbereitet zu sein, statt nur zu reagieren“, sagt Dr. Marlen Cosmar, Leiterin des Referats Arbeitswelten, Mobilität und Gesundheit beim Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG). „Es hilft sehr, wenn ich im Ernstfall weiß, welche Schritte vorgesehen sind.“ Angefangen beim Verkünden der traurigen Nachricht bis hin zu Hilfsangeboten für Beschäftigte, die in der Trauer zu versinken drohen. Vor allem Teammitgliedern, die mit der verstorbenen Person auch befreundet waren, sollte aktiv Unterstützung angeboten werden. Wichtig sei, allen Emotionen Raum zu schaffen, betont Marlen Cosmar: „Jede Person muss sie selbst sein dürfen. Manche sind sehr emotional und möchten ganz viel reden, andere berührt der Todesfall weniger. Niemand sollte sich verstellen.
Erst nach angemessener Zeit sollten Führungskräfte den Fokus darauf lenken, Aufgaben neu zu verteilen. Doch wie viel Zeit sollte verstreichen, um pietätvoll zu bleiben? „Über Organisatorisches sollte sicher nicht am nächsten Tag gesprochen werden. Aber vielleicht nach einer Woche. Je nachdem, wie stark ein Thema drängt“, sagt Psychologin Cosmar. „Es nützt den Kolleginnen und Kollegen nichts, wenn man wichtige Aufgaben ausklammert und der Druck wächst.“ Denn das sorge früher oder später für erhöhte psychische Belastung und lasse das Risiko für stressbedingte Erkrankungen steigen.
Wissen weitergeben, Beratungsangebote nutzen
Das „Team Chancengerechtigkeit“, dem neben Claudia Schmatz-Stockum auch Referentin Sylvia Schulz angehört, hat gemeinsam mit dem Gesundheitsmanagement gezielte Prozesse zum Umgang mit Tod und Trauer etabliert. Im Intranet wurde eine Themenseite aufgesetzt, über die auch Workshops gebucht werden können. Ein Workshop vermittelt Führungskräften etwa, wie sie Unsicherheiten im Umgang mit Trauernden abbauen können. „Hier gibt es kein Richtig und kein Falsch“, sagt Sylvia Schulz. Hauptsache, das Thema Tod werde enttabuisiert und es finde ein offener Austausch statt.
Bleiben Betroffene mit ihren Gefühlen allein, fällt es schwerer, zurück in den Alltag zu finden. „Auch Schuldgefühle können belasten, gerade Führungskräfte“, sagt Referentin Schulz. Das gelte insbesondere nach einem Suizid. „Aber auch, wenn ein Teammitglied an einem Herzinfarkt verstorben ist, können Fragen aufkommen wie ,Habe ich der Person zu viel aufgehalst?ʻ.“ Stecken Führungskräfte in Gedankenspiralen fest, sollten sie sich unbedingt auch selbst Hilfe holen – und entweder bestehende Beratungsangebote nutzen oder ihre Vorgesetzten um Unterstützung bitten.
Todesfall im Team: Schritt für Schritt unterstützen
- Todesfall verkünden: Durch Unternehmensleitung oder Führungskraft, Letztere sollte ihr Team immer zu einem Gespräch einladen.
- Trauer zulassen: Jede Person darf trauern, und zwar so, wie sie es kann und möchte. Das gilt auch für die Führungskräfte.
- Team einbeziehen: Ist ein Kondolenzbuch gewünscht, eine Trauerfeier oder eher stilles Gedenken? Wichtig: akzeptieren, wenn nicht alle aktiv dabei sind.
- Beratungen anbieten: Auf interne oder externe Angebote hinweisen oder überlegen, diese neu zu etablieren – und sie auch als Führungskraft nutzen.
- Organisatorisches klären: Zeitnah über drängende Aufgaben sprechen, die umstrukturiert werden müssen; ggf. weniger Aufträge annehmen oder Termine schieben, um Stress zu vermeiden.
- Hinschauen: Versinkt ein Teammitglied in der Trauer, verschlechtert sich die Arbeitsleistung dauerhaft und verändert sich sein Wesen: Sensibel ansprechen und ggf. Hilfe vermitteln.
- Vorsorgen: Wenn deutlich wird, dass emotionale Themen überfordern oder Prozesse unklar sind: In Weiterbildung investieren.
Weitere Infos im Handlungsleitfaden der DGUV für Führungskräfte.
Die Kreissparkasse Köln geht die Themen Verlust und Krise ganzheitlich an. Die Angebote adressieren auch Beschäftigte, die privat einen Todesfall verarbeiten müssen oder sterbende Angehörige pflegen. Dabei setzt das Team auf externe Hilfe: „Wir arbeiten mit Gesundheitscoaches zusammen“, sagt Claudia Schmatz-Stockum. Diese leiten nicht nur die Workshops: „Beschäftigte können bei ihnen bis zu fünf kostenlose Beratungstermine buchen.“ Auch DGUV-Expertin Marlen Cosmar hält solche Beratungsangebote für sinnvoll. Fehlen sie, können Führungskräfte anregen, sie zu etablieren – auch präventiv.
Laut Umfrage: Hilfsangebote noch zu selten
Üblich sind solche Angebote nicht. In einer Umfrage der top eins gaben 47 Prozent der Befragten an, dass in ihrem Unternehmen keine Maßnahmen zur Trauerhilfe existieren. Bei denen, die Maßnahmen etabliert haben, steht psychologische Beratung an erster Stelle – mit 37 Prozent. Insgesamt nahmen 396 Personen an der nichtrepräsentativen Umfrage teil.
Bei der Kreissparkasse Köln ist das Feedback zu den Angeboten sehr positiv: „Unser Workshop zum Thema ‚Letzte Hilfe‘ etwa war in kürzester Zeit ausgebucht“, sagt Sylvia Schulz. Zudem vermittle eine umfangreiche Unterstützung zu einem so sensiblen Thema den Beschäftigten auch eine Haltung – und fördere die Identifikation mit dem Unternehmen. „Die Beschäftigten bei diesen Themen abzuholen, das ist oft wichtiger als etwa eine Gehaltserhöhung.“