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Wenn Erschöpfung krank macht
Emotionale Anforderungen und Überstunden belasten Führungskräfte psychisch besonders stark. © Adobe Stock/ Freshidea

Gesundheitsschutz : Wenn Erschöpfung krank macht

Dauerhafter körperlicher und emotionaler Stress bei der Arbeit erhöht das Krankheitsrisiko. Ausgeglichene Arbeitsbedingungen und gegenseitiges Vertrauen beugen vor.

Intensive Arbeitsphasen oder spontane To-dos, die kurzzeitig Stress auslösen, sind manchmal unvermeidbar. Viele Menschen arbeiten dann besonders konzentriert und aktiv, sind auffällig leistungsfähig, bewältigen ein großes Arbeitspensum und fühlen sich motiviert. Temporärer Stress ist unproblematisch, dafür sind Körper und Gehirn gerüstet, bestätigt Jasmine Kix, Arbeitspsychologin und stellvertretende Leiterin des Fachbereichs Gesundheit im Betrieb der DGUV. Phasen überdurchschnittlicher Aktiviertheit muss aber eine Abflachung, eine Regeneration des Körpers folgen. „Schließen zu viele fordernde Situationen aneinander an, verpassen wir manchmal den Moment des Zurückfahrens. Der ist aber wichtig. Nur wenn auf Angespanntheit auch Entspannung folgt, bleibt man auf Dauer gesund“, warnt die Expertin.

Stress kann viele Krankheiten auslösen

Die Forschungslage bestätigt den Zusammenhang von ungünstiger psychischer Belastung, Arbeitsstress und Erkrankungsrisiken. Laut Umfragen der letzten Jahre der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) sind bis zu 55 Prozent aller Beschäftigten müde, erschöpft oder niedergeschlagen bei der Arbeit oder leiden unter damit zusammenhängenden psychosomatischen Beschwerden wie Schlafproblemen, Kopf- und Rückenschmerzen. Weitere Folgen von nicht verarbeitetem Stress können psychische Erkrankungen, Depressionen und Angststörungen sein, genauso körperliche Reaktionen wie Bluthochdruck, Magen-Darm- und Atembeschwerden, bis hin zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen oder Vorhofflimmern.

Silhouetten von zwei Köpfen aus zerknittertem Papier, farblich hervorgehoben. Sprechblasen über ihren Köpfen.
Mitarbeitende sollten im Vertrauen mit ihren Vorgesetzten sprechen können. © Adobe Stock/Freshidea

Burn-out nimmt deutlich zu

Die Kombination aus körperlichen und emotionalen Erschöpfungssymptomen als Reaktion auf unverarbeiteten Stress bei der Arbeit ist als Burn-out bekannt – und weit verbreitet. In einer Studie der Krankenkasse Pronova BKK von 2023 schätzen 61 Prozent der Arbeitnehmenden ihre Burn-out-Gefährdung als mäßig bis hoch ein. Beschäftigte unter 30 und weibliche Berufstätige leiden verstärkt unter Stress. 2022 hat die WHO den Zusammenhang zwischen chronischem Stress bei der Arbeit und den Erschöpfungssymptomen in die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten ICD-11 offiziell eingebracht. Burn-out gilt so zwar nicht als Krankheit, kann aber eine Zusatzdiagnose bei Arbeitsunfähigkeitserklärungen darstellen.

Gut zu wissen: Burn-out erkennen

Burn-out:

  • Reaktion auf chronischen, nicht erfolgreich bewältigten Stress am Arbeitsplatz mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit
  • Aus dem Englischen „to burn out“, deutsch: „ausbrennen“

Symptome:

  • Erschöpfung
  • mangelnde Leistungsfähigkeit, (selbst empfundene) Ineffektivität
  • negative oder zynische Einstellung und mentale Distanz zur Arbeit

Mögliche Ursachen:

  • Überstunden, ständige Erreichbarkeit
  • (Termin-)Druck ̲ Schicht- und Nachtarbeit
  • schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Privatem
  • fehlende Anerkennung und Unterstützung (auch von Führungsseite)
  • ungeplante/unplanbare Änderungen im Arbeitsalltag, Arbeitsverdichtung ̲ fehlender Handlungsspielraum
  • fehlende Einarbeitung
  • Arbeitsplatzunsicherheit
  • emotionale Belastungen
  • zu hohe Erwartungshaltung an sich selbst, Perfektionismus

Warnzeichen:

  • überdurchschnittliche Anstrengung
  • Nacharbeiten/ im Urlaub arbeiten
  • noch besser funktionieren wollen

Burn-out und Depression:

  • schwer abzugrenzen; Burn-out kann eine Vorstufe oder ein Symptom einer Depression sein

Wohlbefinden der Mitarbeitenden im Blick haben

Arbeitgebende sind damit klar verantwortlich, Gefährdungen sowohl für die physische als auch psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten. Verpflichtend ist hier die Gefährdungsbeurteilung, bei der neben anderen Faktoren das Augenmerk verstärkt auf Arbeitsintensität, Arbeitszeit, Handlungsspielraum und sozialen Beziehungen – insbesondere zu Vorgesetzten – liegen sollte.

Um psychische Belastungen für die Gefährdungsbeurteilung einschätzen zu können, verweist Kix auf die Empfehlungen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). Belasten können demnach ganz unterschiedliche Faktoren: emotional herausfordernde Anforderungen, unklare Verantwortungsbereiche und Befugnisse, überlange Arbeitszeiten, aber etwa auch störende Geräusche oder Gerüche. Ausschlaggebend für korrekte Einschätzungen in der Gefährdungsbeurteilung ist, gemeinsam über ungünstige Arbeitsbedingungen zu sprechen, etwa in regelmäßigen Gesprächsrunden im Team, rät Kix. So können Gefahrenquellen eingeschätzt und geeignete Maßnahmen verabredet werden. Aber auch Befragungen unter den Beschäftigten helfen.

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Vertrauen von und nach oben

Damit sich Beschäftigte trauen, solche ungünstigen Arbeitsbedingungen anzusprechen, müssen Führungskräfte auf die notwendige Vertrauensbasis achten. Kix weiß: „Das ist keine leichte Aufgabe. Neben Zeit im oft schon vollen Kalender braucht es auch Selbstvertrauen, wenn Arbeitsbedingungen kritisiert werden.“ Außerdem haben Führungskräfte eine wichtige Vorbildfunktion und prägen maßgeblich die Arbeitskultur. Schulungen in gesundheitsförderlicher Führung verhelfen zu eigener Sicherheit und Kommunikationsfähigkeit.

Für die Expertin sind Kommunikation und Zusammenarbeit das A und O. Nur so werde Arbeitslast für alle vorstellbar. In regelmäßigen Team-Meetings lässt sich etwa die aktuelle Auslastung anhand eines Ampelsystems besprechen. „Was auf den ersten Blick nach zusätzlichem Aufwand aussieht, entlastet Führungskräfte schlussendlich.“ Bei aller Verantwortung dürfen Führungskräfte die eigene Gesundheit nicht aus dem Blick verlieren, warnt Kix. Gut jede zehnte Führungskraft berichtet laut aktueller BAuA-Umfrage von Burn-out oder hat Angst, den Arbeitsanforderungen auf Dauer nicht standzuhalten.

Gut informiert über Stress

Maßnahmen gegen Erschöpfungskrankheiten kommen denen der Prävention anderer Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz gleich. Informationen und Beratung zu Stress- und Burn-out-Prävention liefern die Unfallversicherungsträger, wie etwa Seminare für Führungskräfte und Verantwortliche für Sicherheit und Gesundheit. Ebenso stehen Informationen, Broschüren, Präsentationen und Online-Angebote zur Verfügung. Auf betrieblicher Ebene kann die Personalabteilung passende Angebote suchen. Die DGUV-Expertin verweist auf die vielfältigen öffentlichen Beratungsstellen in jeder Region. Auch die betriebsärztliche Beratung und regelmäßige Rücksprache mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit unterstützen.