
Kolumne : Ab in die Schublade!
Möglicherweise habe ich mich in vorherigen Kolumnen bereits als Boomer entlarvt – das heißt, ich bin noch mit wenigen Fernsehsendern und Telefonen, die über eine Schnur mit einer Dose an der Wand verbunden waren, aufgewachsen. Aber genug davon, es geht mir in dieser Kolumne um die Bedeutung des Mobiltelefons. Schon vor zehn Jahren, als noch nicht so viele sehr nützliche und so viele total sinnlose Apps hierfür existierten, wurde ich in einem Seminar über psychische Auffälligkeiten gefragt: „Wir haben junge, frisch ausgebildete Menschen als Mitarbeitende, die am Computer arbeiten. Sie schauen während der Arbeit ständig auf ihr Handy, das neben dem Computer liegt. Frau König, sind diese Mitarbeitenden etwa handysüchtig?“ Ich verneinte das: „Es ist einfach nur schlechtes Benehmen beziehungsweise der Irrtum, es könne bei der Arbeit ständig auf das private Handy geschaut werden. Bitte untersagen Sie das doch einfach. Das Handy kann ja während der Arbeit in der Tasche verbleiben oder in die Schublade gelegt werden.“
Ich weiß nicht, ob dieser Vorschlag umgesetzt wurde. Aber ich kann mir das helle Entsetzen vorstellen, wenn ich dies heutzutage als betriebliche Normalität vorschlagen würde. Dabei darf ich daran erinnern, dass es sehr viele Berufe gibt, in denen eine solche ständige Nutzung des eigenen oder eines Handys überhaupt nicht möglich ist.

Leider gibt es aber ebenso viele Tätigkeiten, in denen die Belegschaft glaubt, es sei eine Normalität. Finde ich noch Mitmenschen und vor allem auch Führungskräfte, die das ganz selbstverständlich infrage stellen und Anweisung erteilen, das private Handy während der Arbeit wegzupacken? Nächste Frage: Finde ich Führungskräfte, die ihr eigenes, privates Handy während der Arbeit gar nicht in Griffnähe haben? Ich möchte ganz fest daran glauben, ja, ich bin überzeugt. Doch jetzt das Ungeheuerliche: Ich bitte Führungskräfte in Seminaren sogar, ihre Arbeitshandys während der Seminarzeit in die Tasche zu packen und nur in den Pausen draufzuschauen. Es ist jedesmal ein Wagnis, ein Atem-Anhalten, ein Zögern.
Und das bringt mich gedanklich auf die Definition von Sucht oder Missbrauch – Dosissteigerung, Entzugserscheinungen, Auswirkungen auf die psychische oder körperliche Gesundheit. Letzteres ist natürlich nur in Fällen sehr starken Konsums – also sehr langer Nutzungszeiten von zum Beispiel Spielen, Videos oder sozialen Medien – vorstellbar. Das macht ja kein Mensch … Mein Vorschlag zum Ende der Kolumne: Testen Sie mal, inwieweit Sie ganze Tage ohne Ihr (privates) Handy verbringen können. Und ohne weitere privat genutzte elektronische Medien. Beeinträchtigt das Ihren Tagesablauf beziehungsweise Ihre üblichen Aktivitäten? Worauf können Sie aus praktischen Gründen nicht verzichten, worauf aber doch?
„Ich ändere meine Tagespläne nicht oder richte den Tag nicht so ein, dass ich regelmäßig … konsumieren kann.“ Das ist eine Frage aus einem Fragebogen über Alkoholsucht, der mich hierzu inspirierte. Wer jetzt so richtig mutig ist, der versucht analog zum „Dry January“ einen Monat weitestgehend auf das Handy zu verzichten. Unvorstellbar, oder?