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Sicher Rangieren bei der Abfallsammlung
Handzeichen helfen beim Rangieren. Handflächen nach vorne heißt: Nach vorne, von mir wegfahren. © DGUV/ Dominik Buschardt

Arbeitssicherheit : Sicher Rangieren bei der Abfallsammlung

Beschäftigte bei der Abfallsammlung müssen mit großen Fahrzeugen rangieren – dabei kommt es immer wieder zu schweren Unfällen. Wie Führungskräfte auf.

Bei Fahrzeugen mit einer Heckladeeinrichtung ist Abfallsammlung echte Team-Arbeit. Während der Fahrer oder die Fahrerin im Fahrzeug sitzt, arbeiten ein bis drei Kolleginnen und Kollegen draußen. Sie holen die Abfallbehälter heran, bedienen den Lifter, überwachen die Schüttung und bringen die Behälter zurück. Ist das Team eingespielt, laufen die Tätigkeiten zügig ab. Jeder Handgriff sitzt, alle wissen, was zu tun ist.

Bei aller Routine darf die Konzentration jedoch nicht auf der Strecke bleiben. Das gilt insbesondere für die Person am Steuer. Bei Abfallsammelfahrzeugen mit Heckladeeinrichtung darf sie ihre beladenden Kolleginnen und Kollegen draußen nicht aus den Augen lassen. Diese halten sich nämlich größtenteils in einem Bereich auf, der für die Person am Steuer schwer oder gar nicht einsehbar ist. Rangieren wird bei der Abfallsammlung damit zur Herausforderung.

Rückwärtsfahrten nur in Ausnahmen

Solange das Fahrzeug steht oder sich vorwärtsbewegt, ist die Situation gut zu handhaben. Beim Zurücksetzen oder gar längeren Rückwärtsfahren handelt es sich jedoch um eine überaus anspruchsvolle Aufgabe. Hier müssen sich alle Teammitglieder aufeinander verlassen können. Unachtsames oder voreiliges Verhalten kann schnell böse enden: Jedes Jahr entstehen schwere oder gar tödliche Unfälle im Zusammenhang mit rückwärtsfahrenden Abfallsammelfahrzeugen.

„Rückwärtsbewegungen mit dem Abfallsammelfahrzeug sind so gefährlich, dass sie grundsätzlich zu vermeiden sind“, sagt Stephan Wegner, Leiter des DGUV-Sachgebiets „Abfallwirtschaft“. Er weist außerdem auf die Rechtslage hin, die Führungskräfte auf dem Schirm haben müssen.

In Zahlen: 95

Arbeitsunfälle je 1.000 Vollbeschäftigte in der Abfallsammlung.

Zum Vergleich: Über alle Berufe hinweg liegt die Unfallquote im Schnitt bei 18,7 Arbeitsunfällen je 1.000 Vollbeschäftigte.
Quelle: DGUV Statistik Unfallgeschehen 2022

Für die gewerbliche Abfallsammlung bundesweit sowie für die kommunale Abfallsammlung (mit Ausnahme der Bundesländer Berlin und Hessen) gelten die DGUV Vorschriften 43 bzw. 44 „Müllbeseitigung“. Sie besagen, dass ausschließlich in solchen Straßen Abfall eingesammelt werden darf, in denen es möglich ist, die Abfallbehälter vorwärts anzufahren. So ist eine Rückwärtsfahrt gar nicht erst erforderlich. Diese Forderung betrifft allerdings nur Straßen, die nach Inkrafttreten der Vorschriften gebaut wurden – in den alten Bundesländern seit 1979, in den neuen seit 1990.

Für ältere Straßen gilt: Beschäftigte dürfen Abfallsammelplätze rückwärts anfahren, wenn es nicht vermeidbar und eine sichere Rückwärtsfahrt gewährleistet ist. Betriebe müssen dafür technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen ergreifen. Diese sind in der DGUV Regel 114-601 „Branche Abfallwirtschaft“ beschrieben.

Gut zu wissen: Aufgaben von Führungskräften

  • Unterweisung: Beschäftigte regelmäßig und noch vor Aufnahme der Tätigkeit unterweisen. Eine praktische Unterweisung ist empfehlenswert.
  • Rückfahrkataster: Straßen, in denen Rückwärtsfahren unvermeidlich ist, in einem Verzeichnis erfassen. Dann organisatorische und personenbezogene Maßnahmen festlegen.
  • Beinahe-Unfälle: Unsichere Situationen und (Beinahe-)   Unfälle sollte das Teambesprechen, um zu prüfen, wie sie künftig vermieden werden können.
  • Unternehmenskultur: Abfallsammlung ist kein Wettrennen! Führungskräfte sollten immer wieder betonen, dass die Beschäftigten umsichtig arbeiten und sich die erforderliche Zeit dafür nehmen sollen.

Klicktipp: Mehr Fragen beantwortet ein FAQ der DGUV.

Rangieren bei der Abfallsammlung: Nicht blind auf Technik verlassen

Führungskräfte von Abfallsammelbetrieben sollten zunächst prüfen, ob sich Rückwärtsfahrten mit einer angepassten Tourenplanung vermeiden lassen. Ebenfalls kann die Unternehmensleitung einen Umbau von Zufahrten zu oder eine Neuposi­tionierung von Sammelplätzen erwirken. Kommunale Abfallsammelbetriebe sol­lten dazu regelmäßig den Kontakt zu den Verantwortlichen im Städtebau suchen.

Ein wichtiges Thema sind außerdem die technischen Fahrassistenzsysteme. Sensoren und Kameras erfassen dann beim Rangieren, was um das Fahrzeug herum passiert, und warnen vor gefährlichen Situationen. Einige Systeme können gar selbst eine Bremsung einleiten. Dennoch dürften sich Beschäftigte nicht blind auf sie verlassen, sagt Stephan Wegner. „Die Technik entwickelt und verbessert sich. Aber Fahrassistenzsysteme haben Grenzen, sodass mit ihnen allein nicht alle Gefährdungen beim Rückwärtsfahren ausgeschlossen werden können. Betriebe, die solche Systeme einsetzen, müssen deshalb weitere Schutzmaßnahmen ergreifen, um Unfallrisiken auszuschließen.“

Grundlage hierfür ist wie immer die Gefährdungsbeurteilung. Bevor ein Abfallsammelfahrzeug mit Rückfahrassistenzsystem eingesetzt wird, ist mit ihr zu prüfen, ob und welche technischen Grenzen das System hat – abgeglichen mit den jeweiligen Einsatzbedingungen und Arbeitsabläufen. Verantwortlich dafür sind die Arbeitgebenden.

Mit Handzeichen einweisen

Wenn eine Gefährdung anderer Personen nicht ausgeschlossen werden kann, muss sich die Person am Steuer von einem Kollegen oder einer Kollegin einweisen lassen. Das Einweisen dürfen jedoch nur diejenigen Beschäftigten übernehmen, die die im Unternehmen etablierten Handsignale kennen und in der Anwendung dieser Gesten unterwiesen wurden.

Frank Bier, Leiter der Abfall- und Wertstoffabfuhr des Zweckverbands Abfallwirtschaft Region Hannover (aha), mahnt, diese verantwortungsvolle Aufgabe ernst zu nehmen: „Sich in einer akuten Situation an die Handzeichen zu erinnern und sie richtig anzuwenden, ist nicht so simpel, wie man vielleicht denkt. Deshalb haben wir die Handzeichen einfach hinten ans Heck der Fahrzeuge geklebt. Die Aufkleber haben die Beschäftigten ständig vor Augen, sodass sie nichts vergessen.“

Illuastration zum Thema Einweisen und Rangieren. Abgebildet sind drei Personen in Warnweste. Auf Bild 1 streckt sie einen Arm, Bild 2 zeigen die Handflächen vor der Brust zueinander, auf Bild 3 sind beide Arme zur Seite gestreckt.
© Raufeld

Wichtige Handzeichen für sicheres Rangieren

  1. Achtung: Arm strecken, Handfläche nach vorn
  2. Abstandsanzeige: Handflächen zeigen zueinander
  3. Halt: Arme seitwärts ausstrecken

Rangieren unbedingt praktisch üben

Um das richtige Verhalten bei Rückwärtsfahrten zu verankern, wird dies bei aha einmal im Jahr mit der gesamten Belegschaft praktisch geübt. Bei der Sicherheitsunterweisung werben die Führungskräfte ausdrücklich für umsichtiges Handeln und betonen, dass es bei der Arbeit keinesfalls auf Schnelligkeit ankommt. Das ganztägige Event lässt aha mit einem gemeinsamen Grillen ausklingen. „Unsere Beschäftigten sollen Arbeitsschutz mit etwas Positivem verbinden. Deshalb gehen bei uns Unterweisung und Teambuilding Hand in Hand.“