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Change Management: Wandel emotional begleiten
Sollen Change-Projekte gelingen, braucht es offene und authentische Kommunikation. © Adobe Stock/ Jacob Lund

Führungskultur : Change Management: Wandel emotional begleiten

Gutes Change Management ist vielschichtig, betonen die Autorinnen und Autoren des Buches „Digitale Veränderungen meistern“ im Interview.

Die Digitalisierung gehört zu den besonders umfangreichen Change-Prozessen – insbesondere in der öffentlichen Verwaltung. Doch wie nimmt man die Beschäftigten auf diesem langen Weg mit und was kann gegen Unsicherheit und Überforderung helfen? Die Coaches Thomas Fischer, Sandra Lengler und Marcus Reinke vermitteln in ihrem Buch „Digitale Veränderungen meistern“ und in ihren Workshops zu Change-Management, dass nicht nur technische und organisatorische, sondern auch menschliche Faktoren ganz wichtig sind.

Drei Personen stehen nebeneinander und schauen in die Kamera: Die Coaches Sandra Lengler, Thomas Fischer und Markus Reinke. Sie stehen vor einem Bild des Hamburger Hafens.
Sandra Lengler, Thomas Fischer und Marcus Reinke (v. l.) kennen die Faktoren für gelungenes Change Management. © Privat

 

Wie beurteilen Sie die aktuelle Grundstimmung zum Thema Digitalisierung, insbesondere in der öffentlichen Verwaltung?

Thomas Fischer: Ich sehe, dass viel gewollt wird und auf den obersten Führungsebenen Absichtserklärungen da sind. Ich sehe auch, dass es viele Beschäftigte gibt, die wirklich wollen. Ich sehe aber leider auch, dass es behördliche, bürokratische Vorgehensweisen oft kompliziert machen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist. Im Kontext der öffentlichen Verwaltung soll sie vorrangig den Bürgerinnen und Bürgern dienen. Und: Ein Formular online zur Verfügung zu stellen, damit es sich die Nutzenden ausdrucken und zum Termin mitbringen können, ist meiner Ansicht nach keine Digitalisierung.

Welche Herausforderungen begegnen Ihnen immer wieder, wenn Sie Veränderungsprozesse begleiten?

Thomas Fischer: Die vielen Beispiele, die wir begleitet haben, reichen von der Professionalisierung des Projektmanagements bis zur Optimierung einer betrieblichen Software. Mit Change-Projekten einher geht immer, dass auch Abläufe und Organisationsstrukturen angepasst werden – und fast immer müssen auch die Mitarbeitenden ihr Verhalten ändern. Vor allem Letzteres macht es oft schwer, die Veränderung wirklich zu etablieren. Denn nur, weil der Vorstand sagt, wir haben jetzt etwas Neues etabliert, heißt das nicht, dass das auch bei den Mitarbeitenden entsprechend umgesetzt und akzeptiert wird.

Marcus Reinke: Das stimmt. Viele Führungskräfte und Mitarbeitende mögen den Status Quo und ihre Komfortzone sehr und verlassen diese nur sehr widerwillig. Da braucht es mutige Change Managerinnen und Manager, die immer wieder den Finger in die Wunde legen und die Nachhaltigkeit fordern. Viele Change-Projekte haben gemeinsam, dass die Auftraggebenden und die höchste Führungsebene die Wirkung bei den Betroffenen falsch einschätzt. Oft wird schon die nächste Transformation vorbereitet, obwohl „die Basis“ noch mittendrin ist und einfach mehr Zeit für die aktuelle Veränderung braucht.

Drei Kern-Erfolgsfaktoren von Change Management

Und welche Faktoren schützen Beschäftigte vor Überforderung, Stress oder anderen Risiken?

Marcus Reinke: Aus unserer Sicht gibt es drei Kern-Erfolgsfaktoren. Erstens die offene und authentische Kommunikation in beide Richtungen über die Veränderung und die nächsten Aktionen. Zweitens mutige Führungskräfte, die Verantwortung für die Veränderung annehmen und offen als Vorbild vorangehen. Und drittens die Veränderung partizipativ, agil gestalten und aus Fehlern bewusst lernen.

Thomas Fischer: Grundsätzlich sorgen Veränderungen für ganz unterschiedliche Emotionen. Gutes Change Management setzt voraus, dass Führungskräfte ihre Mitarbeitenden emotional begleiten, ihnen bei Problemen zuhören, diese ernst nehmen und auffangen. Ich erinnere mich noch an den Satz eines Unternehmensvorstandes. Er sagte, unser Workshop zur emotionalen Begleitung sei für ihn wahnsinnig aufschlussreich gewesen, denn für ihn als Jurist galt bisher immer: Geregelt ist gleich umgesetzt. Da bin ich fast vom Stuhl gefallen, denn natürlich funktioniert ein Veränderungsprozess nicht wie Gesetzgebung.

Gefährdungsbeurteilung mit digitaler Unterstützung

Digitale Tools können Führungskräfte bei der ...

In Ihrem Buch nennen sie verschiedene Modelle, um Change Management zu gestalten. Für wen eignet sich welches Modell?

Thomas Fischer: Die sieben Basisprozesse des Change Managements in Anlehnung an Friedrich Glasl halte ich für besonders geeignet. Am Anfang dieses Modells steht die Diagnose, die das Unternehmen zum Ist-Zustand stellen muss. Weitere Schritte sind unter anderem der Zukunftsgestaltungsprozess sowie Lern- und Informationsprozesse. Oft vernachlässigt wird der psychosoziale Prozess, der aber ganz wichtig ist. Jeder Prozess in diesem Modell beinhaltet bestimmte Change-Management-Tools, zum Beispiel Interviews, die Change Story – also eine auf den Punkt gebrachte und erzählerisch gestaltete Erläuterung der Veränderung, ihrer Hintergründe und Ziele –, Workshop, Teambuilding, oder agiles Projektmanagement. Diese Tools kann man sich vorstellen wie eine Art Werkzeugkasten, aus denen man sich je nach Change-Projekt und Bedarf bedienen kann. Ganz am Ende steht dann der Roll-Out, also der Umsetzungsprozess.

Sandra Lengler: Wobei die wichtigsten drei Basisprozesse des Change Managements für mich der psychosoziale Prozess, der Lernprozess und der Zukunftsprozess sind. Diese kurz erklärt: Bei den psychosozialen Prozessen geht es um die bereits angesprochene emotionale Begleitung der Veränderungen. Die Teams müssen lernen, alte Rollen zu verlassen und neue Beziehungen einzugehen. Beim Lernprozess geht es um das Erlernen von neuem Wissen und Können. Sprich, die Beschäftigten werden befähigt, die Veränderungen auch praktisch umsetzen und nutzen zu können. Und beim Zukunftsgestaltungsprozess wird eine Vision, ein Leitbild entwickelt und gemeinsam ein Ziel erarbeitet. Diese drei Prozesse zusammen sorgen für emotionale Stabilität, Orientierung und Fitness, um digitale Veränderungen zu meistern.

Change-Projekte brauchen Ressourcen

Daran lässt sich bereits ablesen, dass Change Management nicht mal eben nebenbei von einer Führungskraft gestemmt werden sollte, oder?

Thomas Fischer: Es ist schwierig, wenn es nur nebenbei läuft. Besser ist es, wenn Unternehmen ein eigenes Change Management für jedes Change-Projekt etablieren, praktisch als Teilprojekt. Was die Ressourcen angeht: Eine Option ist es, dass Beschäftigte – etwa aus dem Personalbereich oder der Organisationsentwicklung – dafür eingeplant wird. Beispielsweise eine Personalerin mit 20 Prozent ihrer Zeit. Am besten ist es aber, wenn das Change Management in der oberen Führungsetage angesiedelt wird, es also prominent aufgehängt ist und exklusiv dafür Ressourcen zur Verfügung stehen.

Und wo holen sich die Führungskräfte Unterstützung und emotionale Begleitung, insbesondere beim Thema Digitalisierung? Das kann ja auch sie überfordern.

Sandra Lengler: Viele Organisationen haben ausgebildete systemische Business Coaches und Agile Coaches, die die Führungskräfte in der Umsetzung der Veränderungen aktiv unterstützen können. Diese externen Coaches unterstützen dabei, interne Strukturen flexibler zu gestalten und Prozesse zu optimieren.