Führungskultur : Interview: Digitalisierung und Change Management
Frau Henning, wie können digitale Prozesse erfolgreich eingeführt und gleichzeitig Stress und Überforderung im Team vermieden werden?
Gerade in der Übergangszeit sollte man den Druck von den Beschäftigten nehmen, mal ein Auge zudrücken, bestärken. Hilfreich sind in stressigen Projektphasen Teamtage oder Angebote des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Führungskräfte sollten sich auch selbst im Blick behalten und Überlastung vermeiden. Wird ein neues Tool eingeführt, wird oft erwartet, dass sie selbstverständlich durch den Prozess führen. Führungskräfte können und müssen aber nicht alles wissen. Dafür gibt es Fachleute.
Welche Ressourcen braucht es für Change Management?
Bei Digitalisierungsprojekten entfallen etwa drei Viertel der Arbeit auf Change Management, der Rest auf die Umstellung der Prozesse. Es ist wichtig, das bei der Projektplanung mitzudenken. Manche Behörden schreiben Change Management als 100-Prozent-Stelle aus, damit digitale Projekte von einer auf Veränderungsprozesse spezialisierten Fachperson begleitet werden. Dafür sollten sich Führungskräfte einsetzen.
Was sind typische Fehler, die Ihnen bei digitalen Projekten schon oft begegnet sind?
Ganz lange warten und dann voller Aktionismus, aber planlos loslegen. Oder als Erstes zu einer Messe fahren, sich Software kaufen und dann feststellen, dass die gar nicht zum eigenen Team passt. Typisch sind auch Sätze wie: „Sie hatten doch mal mit IT zu tun, dann können Sie dieses Projekt ja leiten.“
Und was sind Erfolgsfaktoren?
Erst mal ist es gut, wenn es für das Projekt ein Konzept gibt. Wichtig ist auch der Rückhalt der Hausleitung, eine positive Fehlerkultur und ausreichende Personalkapazitäten. Ich würde mir außerdem wünschen, dass nicht zu viele Themen auf einmal angestoßen werden. Großprojekte brauchen eine Strategie der kleinen Schritte. Mir sagte mal eine Schulleiterin, sie wisse gar nicht, wo sie anfangen solle, der Berg sei so hoch. Hier gilt es, Projektphasen Schritt für Schritt abzuarbeiten. Wenn am Ende nichts fertig wird, weil man zu viel gleichzeitig macht, sinken Motivation und Glaubwürdigkeit.
Gibt es weitere positive Effekte, die erfolgreich umgesetzte Digitalprojekte haben können?
Ja! Überzeugende Digitalisierungsstrategien wirken positiv auf Bewerberinnen und Bewerber und wirken somit dem Fachkräftemangel entgegen. Ich sehe junge und lebensältere Menschen, die ihre wertvolle Lebens- und Arbeitszeit selbstwirksam einsetzen, weil ihnen eine Software vieles abnimmt, das früher für Stress sorgte und Zeit raubte. So bleibt mehr Zeit für kreative Arbeit. Viele junge Leute möchten heute Dinge bewegen, verbessern, den Erfolg ihrer Arbeit sehen. All das entspricht dem Ansinnen von New Work und Arbeit 4.0.