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Inklusiv führen: gemeinsam, gleichberechtigt, sicher
Gelebte Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch einen Platz in einer beruflichen Gemeinschaft findet. © Gesellschaftsbilder/Andi Weiland

Führungskultur : Inklusiv führen: gemeinsam, gleichberechtigt, sicher

Inklusion in der Arbeitswelt braucht engagierte Führungskräfte. Wie können Organisationen Barrieren für Beschäftigte mit Behinderung abbauen?

Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) beschäftigt mehr als 20.000 Menschen. Rund 1.800 sind schwerbehindert. Das sind neun Prozent – deutlich mehr als die gesetzliche Mindestquote von fünf Prozent an Arbeitsplätzen, die private und öffentliche Arbeitgebende (ab einer Größe von 41 Beschäftigten) mit schwerbehinderten oder gleichgestellten Personen besetzen müssen. Damit führt der LVR vor Augen, was möglich ist.

Ohne engagierte Führungskräfte würde dies wohl nicht gelingen. Ihr Einsatz zeigt sich von Anfang an: Noch bevor Beschäftigte mit Behinderung beim LVR ihre Arbeit aufnehmen, informiert sich die zuständige Führungskraft, welche Anforderungen sie an ihren Arbeitsplatz stellen. „Ich frage beispielsweise, welche Hilfsmittel sie benötigen. Diese werden den neuen Kolleginnen und Kollegen bei Dienstantritt bereitgestellt“, berichtet Elisabeth Altunkaynak. Sie ist Abteilungsleiterin der Bereiche Personaleinsatzplanung und Ausbildung beim LVR. Der Kommunalverband erfüllt in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens verschiedene Aufgaben, etwa in der Jugendhilfe und im Gesundheitsdienst.

Elisabeth Altunkaynak im Porträt. Sie lächelt leicht in die Kamera. Sie trägt einen pinken Blazer, eine Kette um dem Hals und offenes schwarzes Haar.
Elisabeth Altunkaynak, Abteilungs- leiterin Personaleinsatzplanung und Ausbildung, LVR
 © LVR-ZMB, Eva Lotte Niegel

Technische und organisatorische Anforderungen berücksichtigen

Ein ergonomischer Arbeitsplatz ist Standard für alle Beschäftigten des LVR. „Wir achten dabei auf das Licht, ausreichend Bewegungsfläche im Raum sowie eine gute Hard- und Softwareausstattung“, so Altunkaynak. Auch erhalten alle Beschäftigten eine Arbeitssicherheitsunterweisung. Bei Beschäftigten mit Behinderung können spezifische Anforderungen dazukommen – etwa technische Hilfsmittel.

„Beschäftigte mit verringerter Sehfähigkeit erhalten ein Bildschirmlesegerät mit einer Vergrößerungssoftware. Für blinde Beschäftigte ist eine Sprachausgabe oder Vorlesesoftware notwendig. Menschen mit Hörbehinderung benötigen mitunter einen Bluetooth-Zugang am Computer. Dann nämlich können sie ihr Hörgerät mit dem Computer verbinden, sodass Töne direkt auf das Hörgerät umgeleitet werden“, nennt Altunkaynak Beispiele.

Auch organisatorische Aspekte können bei der Arbeitsplatzgestaltung für Beschäftigte mit Behinderung eine Rolle spielen. „Für kognitiv beeinträchtigte Personen kann ein ruhiges Arbeitsumfeld mit wiederkehrenden Aufgaben oder mit sorgfältig dosiertem Kundenkontakt hilfreich sein“, erläutert die Abteilungsleiterin. Und bei Meetings oder Veranstaltungen, an denen Kolleginnen und Kollegen mit Hörbehinderung teilnehmen, achten Führungskräfte darauf, dass eine schrift- oder gebärdendolmetschende Person anwesend ist.

Jobcoaches, IT- und Arbeitsschutz-Abteilung unterstützen Führungskräfte

In ihrem Engagement sind Führungskräfte des LVR nicht auf sich allein gestellt. Unterstützt werden sie unter anderem von den Abteilungen Arbeitssicherheit und IT, vom betriebsmedizinischen Dienst sowie von externen Organisationen wie dem Berufsförderungswerk. Der Integrationsfachdienst wiederum übernimmt die Finanzierung technischer Hilfsmittel. Können Führungskräfte Beschäftigte mit Behinderung nicht im notwendigen Maße betreuen, greift der nordrhein-westfälische Verband auf Jobcoaches zurück. Für die Förderung von Inklusion ist zudem das betriebliche Inklusionsteam zuständig.

Gut zu wissen

Wer bildet das betriebliche Inklusionsteam?

  1. Inklusionsbeauftragte unterstützen und kontrollieren Arbeitgebende bei der Einhaltung gesetzlicher Pflichten, die für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung gelten. Unternehmen sind verpflichtet, mindestens eine Person für das Amt zu benennen.
  2. Die Schwerbehindertenvertretung überwacht Arbeitgebende, ob sie Vorschriften, Gesetze, Dienstvereinbarungen und Tarifverträge erfüllen. In Organisationen und Dienststellen, in denen fünf oder mehr Personen mit Behinderung arbeiten, wird die Schwerbehindertenvertretung von den Beschäftigten mit Behinderung gewählt. Beschäftigte können sich vertrauensvoll an sie wenden, etwa mit Beschwerden.
  3. Der Betriebs- bzw. Personalrat tritt in Unternehmen für die Belange der Arbeitnehmerschaft ein. Zu seinen Aufgaben gehört es, auf die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen hinzuwirken.

Über weitere wichtige Begriffe informieren die Integrations- und Inklusionsämter in einem Online-Fachlexikon.

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Individuelle Schutzziele mit Gefährdungsbeurteilung ermitteln

Ein wichtiges Instrument beim Arbeitsschutz ist die Gefährdungsbeurteilung. Um Arbeitsstätten und -mittel auf die Sicherheit für Beschäftigte mit Behinderung zu prüfen, hat das Inklusionsamt des LVR gemeinsam mit dem sicherheitswissenschaftlichen Institut für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie e. V. (ASER) ein spezielles Verfahren entwickelt.

Es nennt sich „Kölner Modell“. Es soll vor allem Unternehmen aus dem Klein- und Mittelstand helfen, die spezifischen Gefahren für Beschäftigte mit Behinderung zu analysieren. Denn vor allem kleinere Unternehmen schrecken davor zurück, Beschäftigte mit Behinderung einzustellen, da sie befürchten, sie nicht genügend vor Risiken bei der Arbeit schützen zu können. Mit der inkludierten Gefährdungsbeurteilung lassen sich individuelle Schutzziele ermitteln und konkrete Maßnahmen für den Arbeitsschutz ableiten.

Tipp zum Weiterlesen

Eine Gefährdungsbeurteilung für Arbeitsplätze von Beschäftigten mit Behinderung erstellen: diese Handlungshilfe hilft weiter.

Diversität am Arbeitsplatz wirkt Vorurteilen entgegen

Dass sich die Anstrengungen auszahlen, davon ist Altunkaynak überzeugt: „Wenn Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten, wird Gemeinsamkeit zur Selbstverständlichkeit. Eventuelle Vorurteile, oft aufgrund von Nichtkenntnis oder fehlender Erfahrung mit Behinderungen, brechen in sich zusammen. Das Bewusstsein, dass jede Person einen gleichberechtigten Platz in der beruflichen und auch privaten Gemeinschaft hat, verfestigt sich. Das verstehe ich unter gelungener Inklusion“, so Altunkaynak