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Muskel-Skelett-Beschwerden vorbeugen
Erzieherinnen und Erzieher gehören zu jenen Beschäftigten, die im Alltag viel ­Heben und Tragen müssen. Langfristige Folge können Beschwerden des Muskel-Skelett-Apparats sein. © Getty Images/vitapix

Gesundheitsschutz : Muskel-Skelett-Beschwerden vorbeugen

Heben, Schieben oder Ziehen in ungünstiger Körperhaltung kann dauerhafte Muskel-Skelett-Beschwerden bedingen. Was Arbeitgebende dagegen tun können.

Zu den häufigsten Gründen für Krankmeldungen in Deutschland gehören Beschwerden des Muskel-Skelett-Apparats. Das belegen etwa die Daten des Fehlzeiten-Reports 2019 vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO). Auch viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind betroffen. Neben Menschen, die im Beruf hauptsächlich sitzen, sind gerade jene gefährdet, die in ihrer täglichen Arbeit hohe körperliche Belastungen stemmen müssen. Dazu gehören Beschäftigte in der Entsorgung oder in der kommunalen Grünpflege ebenso wie in der Pflege und Kinderbetreuung. Viele leider unter Rückenschmerzen, Arthrose oder Sehnenverletzungen.

Britta Weber, Leiterin der Stabsstelle ­Gestaltung neuer Arbeitsformen am ­Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), sagt dazu, dass ein gesundes Maß an Bewegung im Alltag zwar wichtig für die Gesundheit sei. Aber: „In manchen Berufen wird der Bewegungsapparat häufig über- oder fehlbelastet.“ Bei ­Berufen in der kommunalen Grünpflege kämen darüber hinaus oft Vibrations­be­las­tungen durch Arbeits­fahrzeuge und -geräte hinzu, die das Muskel-Skelett-­System auf Dauer – ­entweder allein oder in ­Kombination mit ungünstigen Haltungen – fehlbelasten können. Auch arbeiteten die Personen in diesen Berufen häufig in gleich­förmigen, sich wiederholenden Abläufen, die eine Belastung für das Hand-Arm-System darstellen.

Ungünstige Haltungen belasten Bandscheiben und Hüftgelenke

Doch auch Beschäftigte im Bereich der Pflege sind besonders betroffen. Sie müssen oft Patientinnen und Patienten heben, tragen, umlagern, in Betten oder Rollstühlen schieben oder ziehen. „Hier verschärft häufig der Personalmangel die Belastung, da keine zweite Person verfügbar ist, um zu helfen“, so Weber. Ähnlich starken Belastungen seien auch Beschäftigte kommunaler Sanitätsdienste ausgesetzt. In Großstädten komme ­häufig hinzu, dass die Beschäftigten sich durch enge Treppenhäuser ohne Aufzüge bewegen und dabei für den Transport hohe Kräfte in besonders ungünstigen Haltungen aufbringen müssten. „Dabei werden Bandscheiben und Hüftgelenke stark belastet“, erklärt Weber.

Sitzen schadet dem Bewegungsapparat

  • Beschwerden treten durch dauerhaftes Sitzen im ­Berufsalltag auf.
  • Ungünstige Positionen sorgen für eine Fehlbelastung der Wirbelsäule und der umgebenden Muskulatur.
  • Die Folge können Verspannungen, muskuläre Dys­balancen und Beschwerden im Rücken-, Nacken- oder Lendenbereich sein.
  • Eine ergonomische ­Arbeitsplatzeinrichtung kann ­helfen, Zwangshaltungen zu vermeiden.
  • Durch kurze Bewegungs­einheiten das Sitzen immer wieder unterbrechen und auch die Freizeit möglichst körperlich aktiv gestalten.

Das IFA hat im Forschungsprojekt „Mehr­stufige Gefährdungs­analyse physischer Belastungen am Arbeits­platz“ (MEGAPHYS) ­Auswirkungen ­verschiedener Tätigkeiten auf den Muskel-­Skelett-Apparat ermittelt. „Bei der ­Studie haben wir gemeinsam mit mehreren Forschungspartnern verschiedene Ebenen der Gefährdungsbeurteilung zu einem Stufenmodell zusammengeführt“, sagt Britta Weber. „Das geht von einem ­groben Screening bis hin zu ­Labormessungen, die von wissenschaftlichem Personal begleitet ­werden.“ Ziel der Forschung war es, ein umfassendes, wissenschaftlich fundiertes Methoden­inventar zu entwickeln, das unterschiedliche Erfordernisse der ­Belastungsanalyse bedienen kann.

Wichtigste Maßnahme zur Vorbeugung: die Gefährdungsanalyse

Arbeitgebenden empfiehlt die Expertin, eine für die jeweilige Tätigkeit angemessene Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen. Diese ist zwar eine ­gesetzliche Verpflichtung, aber das Wie ist nicht verbindlich geregelt. Deshalb sollten Arbeitgebende darauf achten, dass die einzelnen Tätigkeiten möglichst detailliert und wissenschaftlich fundiert untersucht würden. „Wenn die Belastungssituation komplex ist, reicht es nicht, bloß einen Fragebogen abzuarbeiten“, so Weber.

Eine Trainerin hilft in einem Sportkurs einer Frau bei Dehnübungen. Daneben führt ein Mann diese Übungen durch.
Einen guten Ausgleich für starke körperliche Belastung bei der Arbeit bieten Trainings­einheiten, etwa beim Betriebssport. © Adobe Stock/Rithor

 

Im Arbeitsalltag sollten Arbeitgebende darauf achten, ihre Beschäftigten möglichst wenig belastenden Faktoren auszusetzen. Wenn Beschäftigte Schweres heben, tragen, ziehen oder schieben müssen, sollten Vorgesetzte genau hinschauen, um möglichen ­Gefährdungen für den Muskel-Skelett-Apparat vorzubeugen: Welche Tätigkeiten üben die ­Beschäftigten im Arbeitsalltag in ­welchen Körperhaltungen aus? Welche Körperpartien werden dadurch wie stark belastet? In welchen Situationen ist die Belastung besonders hoch? Welche ­Faktoren tragen dazu bei?

Nach einer detaillierten Gefährdungsbeurteilung sollten Vorgesetzte geeignete Maßnahmen umsetzen, die die Belastung bestmöglich reduzieren. Dabei gehen sie am besten nach dem TOP-Prinzip vor: Es sollten also zunächst technische Maßnahmen zum Einsatz kommen, um die Arbeit zu erleichtern, etwa Trage- und Hebehilfen oder verstellbare Arbeitsmittel, die sich der Körpergröße der Beschäftigten anpassen. Organisatorische Maßnahmen könnten dafür sorgen, dass Aufgaben im Rotationsverfahren gleichmäßig unter den Beschäftigten aufgeteilt werden, wo dies Qualifikation und zeitliche Faktoren erlauben. Auf diese Weise sind einzelne Beschäftigte nicht über lange Zeiträume denselben Belastungen ausgesetzt. Personenbezogene Maßnahmen könnten etwa Unterweisungen zum rückengerechten Heben und Tragen, Schieben oder Ziehen sein, die den Beschäftigten angeboten werden. Beschäftigte können zudem selbst vorbeugen, indem sie in ihrer Freizeit ihre Muskulatur kräftigen und für entspannenden Ausgleich sorgen.