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Und ewig lockt das Süße
© raufeld

Kolumne : Und ewig lockt das Süße

Sind Süßigkeiten am Arbeitsplatz ein Ausdruck von aktuellem oder ständigem Stress? Unsere Kolumnistin spürt der „Stressbewältigung über den Blutzuckerspiegel“ nach.

Verfressene Teams sind häufig und leicht an den Mengen von Süßigkeiten zu erkennen, die sie zum Teil offen, aber auch versteckt horten. Übliche Lagerplätze sind dabei in Großraumbüros Schüsseln (zum Teil sehr große) auf den als Raumteiler genutzten Schränken. Als Variante zeigt sich das Lager auf einzelnen Schreibtischen ausgewählter, zuverlässiger Kolleginnen und Kollegen. Selten in Büroküchen, da diese zu leicht für fremde Teams zugänglich sind.

Meist handelt sich es sich um Vorräte von Schokolade, Fruchtgummi, Bonbons, die mit großer Sorgfalt und akribisch geführten Mitbringlisten reihum aufgefüllt werden. Dabei helfen Geburtstagslisten und sämtliche saisonale Anlässe wie große Feiertage (Schoko- weihnachtsmänner, -osterhasen). Weit entwickelte Teams haben hier solche Listen gar nicht mehr nötig, brauchen auch nicht besondere Anlässe, sondern besitzen das nötige Feingefühl und den ständigen Drang, eigentlich jederzeit und ohne speziellen Auftrag („Du bist jetzt dran!“) nachzulegen.

Eine heimliche, aber starke These von mir ist, dass die Menge an Süßigkeiten, gemessen in Pfund, ein Ausdruck des aktuellen oder ständigen Stresslevels ist. 100 Gramm Süßes je 10 Mitarbeitende = Stressstufe 1, 1 Kilogramm je 10 Mitarbeitende = Stressstufe 5, usw. Diese These wird allerdings von Teams unterminiert, die immer futtern.

Vom Süßigkeitenkonsum lassen sich Teameigenschaften ableiten

Teameigenschaften, die weiterhin diagnostisch daraus abzuleiten sind: ein hoher Grad an Organisationsfähigkeit, Zuverlässigkeit in Logistik, große Fachkenntnisse über sinnlose Diäten und Sonderangebote der hiesigen Discounter, aber auch ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit. Das gilt insbesondere in der Nähe der Schüsseln und über Rezepte, Küchengeräte und seltene Zutaten. Des Weiteren gehören dazu ein starker Gerechtigkeitssinn sowie Innovationskraft und Einfallsreichtum bezüglich guter Verstecke („Frau König, jetzt zeigen wir Ihnen mal den geheimen Schrank am Ende des Flurs!“).

Imke König ist Diplom-Psychologin, Psychotherapeutin und Coach. In ihrer top eins-Kolumne gibt sie Führungskräften Tipps für eine ausgewogene Work-Life-Balance und effizientes Stressmanagement, Illustration: Raufeld Medien
Imke König ist Diplom-Psychologin, Psychotherapeutin und Coachin. In ihrer top eins- Kolumne gibt sie Tipps für den Führungsalltag und berichtet von ihren Beobachtungen aus der wilden Arbeitswelt © Raufeld

 

In zu stark ausgeprägter Form zeigt sich eine gewisse Zwanghaftigkeit bezüglich zum Beispiel dem Anfertigen von Geburtstagskuchen. In einem Teamworkshop wurde einmal sehr lang das Thema „Wie feiern wir Geburtstag?“ behandelt. Dahinter verbarg sich auf der Beziehungsebene, inwiefern die immer mehr werdenden, jüngeren Neuzugänge sich an das langjährige, ausgefeilte Geburtstagsfeierritual inklusive des Mitbringens zweier selbst gebackener Kuchen zu unterwerfen hatten.

Eine Weiterentwicklung des verfressenen Teams ist leicht über gemeinsame Mittagessen oder Teamtage in Restaurants, Kochschulen oder in der Erlebnisgastronomie möglich. Hauptsache, es gibt mehr als genug zu essen. Von einer Teamdiät, also dem diktatorischen Entfernen der Schüsseln, rate ich Führungskräften jedenfalls dringend ab. Auch das strenge Abschaffen von Frühstücksrunden könnte sich als hochschädlich erweisen. Die negativen Auswirkungen auf die zarte Seele dieser oft fröhlichen und kommunikativen Teams wären mit dem Nutzen … ja, welchem Nutzen eigentlich? Guten Appetit!