Umfragen : Psychische Belastung wird noch zu selten erfasst
Werden Beschäftigte bei der Arbeit häufig unterbrochen? Fühlen sie sich über- oder unterfordert oder mangelt es vielleicht an sozialer Unterstützung? Aus diesen und weiteren Faktoren ergibt sich die psychische Belastung, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden muss. Ist die Belastung dauerhaft erhöht, steigt auch das Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen – und Arbeitgebende müssen entsprechende Schutzmaßnahmen veranlassen.
Trotz Pflicht wird Gefährdungsbeurteilung oft vernachlässigt
Doch dazu kommt es oft erst gar nicht, wie eine nicht repräsentative Umfrage von top eins mit insgesamt 139 Teilnehmenden zeigt. Schon die Gefährdungsbeurteilung wird längst nicht in jeder Organisation durchgeführt: Zwar beantworteten 71,2 Prozent der Befragten die Frage nach der Gefährdungsbeurteilung mit „ja“, aber bei 22,3 Prozent wird im Unternehmen auf diese Verpflichtung verzichtet. 6,5 Prozent wissen es nicht.
Bei denen, die „Ja“ geklickt haben, wurde weitergefragt, ob im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung auch die arbeitsbedingte psychische Belastung erfasst wird. Hier antworteten nur noch 61 Prozent mit „ja“, 31,4 Prozent mit nein, 7,6 Prozent der Teilnehmenden wissen es nicht.
In jenen Organisationen und Unternehmen, die sich mit der psychischen Belastung auseinandersetzen, gibt es eine Vielzahl an Methoden für den Prozess. Am häufigsten veranlassen Verantwortliche eine Umfrage unter den Beschäftigten, um die psychische Belastung am Arbeitsplatz zu ermitteln (52,2 Prozent). Bei 42 Prozent beurteilen Führungskräfte bzw. Fachleute im Arbeitsschutz das Thema. Der direkte Austausch mit Beschäftigten sowie Workshops landen gemeinsam auf Platz drei mit jeweils 37,7 Prozent. Beobachtungsverfahren (31,9 Prozent), Interviews mit Beschäftigten (23,2 Prozent) und Jahresmitarbeitendengespräche (23,2 Prozent) folgen auf den letzten drei Plätzen.
Um die psychische Belastung zu ermitteln, sollten im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sechs Bereiche betrachtet werden (siehe Grafik). Bei der Frage, in welchem dieser Bereiche potenzielle Risiken für Beschäftigte ermittelt wurden, gibt es einen deutlichen Platz eins: 78,6 Prozent der Befragten gab an, dass in ihrer Organisation Risiken bei der Arbeitsorganisation ermittelt wurden, also etwa durch Störungen oder hohe Arbeitsintensität. Auch Risiken durch Arbeitsinhalte und -aufgaben kommen mit 64,3 Prozent vergleichsweise häufig vor. Deutlich geringer fallen die Risiken durch Arbeitsmittel aus, diese wurden nur bei 21,4 Prozent der Befragten ermittelt. Die Teilnehmenden konnten hier mehrere Antwortmöglichkeiten wählen.
Klicktipp
Digitale Tools können bei der Ermittlung der psychischen Belastung helfen – wie das Klinikum Leverkusen zeigt.
Auch die Kommunikation läuft nur teilweise gut
Bei der Kommunikation zum Thema psychische Belastung setzen die meisten Organisationen auf das persönliche Gespräch. Bei 44,3 Prozent werden die ermittelten Risiken im Gespräch mit einzelnen Beschäftigten, bei 37,1 Prozent im Gespräch oder Meeting mit allen Beschäftigten kommuniziert. Aber: Immerhin 31,4 Prozent kommunizieren die Ergebnisse gar nicht.
Entscheidend für sichere und gesunde Arbeit ist aber nicht nur, die Risiken zu ermitteln, sondern auch entsprechende Konsequenzen abzuleiten. Das geschieht laut Umfrage bei 68,9 Prozent, die angeben, dass in ihrer Organisation aus den ermittelten Gefährdungen konkrete Schutzmaßnahmen abgeleitet werden. 20,3 Prozent wissen nicht, ob das bei ihnen der Fall ist, und bei 10,8 Prozent werden keine konkreten Maßnahmen ergriffen. Weiter wurde gefragt, ob die Ermittlung der psychischen Belastung regelmäßig wiederholt wird. 63,5 Prozent antworteten mit „ja“, 19 Prozent mit „nein“, 17,5 Prozent wissen es nicht.
Ein Hauptproblem sind Wissenslücken zur psychischen Belastung
Unter jenen Befragten, in deren Unternehmen und Einrichtungen die psychische Belastung bisher nicht erfasst wird, gibt es ebenfalls klare Tendenzen für mögliche Gründe. Bei knapp der Hälfte gibt es niemanden, der sich darum kümmert (47,8 Prozent), gleichauf ist das fehlende Wissen, wie es gemacht wird (47,8 Prozent). Zu hoher Aufwand (30,4 Prozent) sowie Unkenntnis zu gesetzlichen Regelungen (26,1 Prozent) gehören ebenfalls zu den Argumenten der Nichterfassung.
Grundsätzlich scheint es in manchen Unternehmen also an personellen Ressourcen sowie an ausreichendem Wissen zum Thema psychische Belastung zu mangeln. Auf den Seiten der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV) finden sich zahlreiche Informationen und Publikationen zum Thema.
Auch eine Beratung durch die zuständige Unfallkasse oder die Berufsgenossenschaft kann Verantwortlichen helfen, den Prozess erfolgreich umzusetzen.