Führungskultur : Echte Auszeit: So gelingt die Urlaubsplanung
Wenn die Haupturlaubssaison vorbei ist, beschäftigen sich viele Menschen bereits gedanklich mit der nächsten Auszeit. Wie gut, dass in vielen Unternehmen und Einrichtungen im letzten Quartal die Planung für das nächste Kalenderjahr losgeht. Ein solcher Vorlauf der Urlaubsplanung kann helfen, Konflikten vorzubeugen.
Früh mit der Urlaubsplanung beginnen
„Es ist gut, frühzeitig die Wünsche abzufragen“, sagt Prof. Dr. Dirk Windemuth, Direktor des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG). Er empfiehlt, dies am Vorjahresende, spätestens aber am Jahresanfang zu tun. Auf Basis dieser Angaben kann danach die Feinplanung beginnen. Windemuth rät, dafür allgemeine Rücksichtsregeln aufzustellen – zum Beispiel, dass Eltern in den Sommerferien Vorrang haben und drei Wochen Urlaub nehmen können, um die Betreuung ihrer Kinder zu sichern. Kinderlose verzichten in dieser Zeit auf Urlaub und verreisen in den Randzeiten. „Meist klappt das gut, weil Menschen ohne schulpflichtige Kinder ohnehin froh sind, nicht in den Ferien verreisen zu müssen, wenn Nachfrage und Preise am höchsten sind“, so Windemuth.
Regeln helfen weiter
Derartige Regelungen sind in vielen Unternehmen und Einrichtungen verbreitet. Bei einer nicht repräsentativen Umfrage der top eins vor dem Druck dieser Ausgabe bestätigten dies mehr als zwei Drittel der Befragten. Von den Führungskräften, die an der Umfrage teilgenommen haben, sehen sich gut 60 Prozent dafür verantwortlich, Konflikte innerhalb ihrer Teams aufgrund anstehender Abwesenheiten zu vermeiden. Dennoch kann es zu Unstimmigkeiten kommen – etwa dann, wenn die Planung nicht alle Wünsche berücksichtigen kann.
Urlaubsplanung: Umfrage der top eins
Lesen Sie hier mehr zu den Ergebnissen der Umfrage zu guter Urlaubsplanung.
Psychologe Windemuth empfiehlt Vorgesetzten, solche Probleme nicht hierarchisch zu regeln, sondern die Mitarbeitenden kollegial klären zu lassen, was möglich ist. Führungskräfte könnten Konflikte moderieren und zwischen den Parteien vermitteln. Eine einvernehmliche Lösung sollten die Kolleginnen und Kollegen aber selbst finden und nicht eine Entscheidung der Vorgsetzten erzwingen. Faktoren wie der Zeitpunkt des Urlaubsantrags sollten möglichst keine Rolle spielen, um einen Wettlauf, wer am frühesten seine Wünsche anmeldet, zu vermeiden.
Belastung herunterfahren
Um eine erholsame Auszeit zu haben, bedarf es jedoch auch einer guten Vorbereitung im Beruf, die über die Beantragung des Urlaubs hinausgeht. „Wer direkt aus dem Vollgas-Modus in den Urlaub geht, riskiert eine Erkrankung“, so Windemuth. Bei einem solchen plötzlichen Wechsel sei das Immunsystem leichter empfänglich für Infekte. Der Experte empfiehlt daher, die Arbeitsbelastung drei Tage vor Urlaubsbeginn zurückzufahren.
Sehr wichtig sei es außerdem, Projekte vor dem Urlaub abzuschließen. „Unerledigte Arbeitsaufgaben regen zum Grübeln an. Dann fällt es schwer abzuschalten“, sagt Dr. Johannes Wendsche, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Wer kurz vor dem Urlaub steht, sollte daher seine Projekte priorisieren und ihre Erledigung planen. Dazu gehört, Aufgaben zu delegieren, die nicht mehr abgeschlossen werden können, und den Beginn neuer Projekte auf die Zeit nach dem Urlaub zu verschieben.
Einmal im Jahr müssen Beschäftigte mindestens zwei Wochen Urlaub am Stück nehmen, um eine bessere Erholung zu ermöglichen. Ein Forschungsprojekt der TU Dresden, bei dem Wendsche mitarbeitete, ergab, dass eine Auszeit von der Arbeit wichtiger als die Dauer des Urlaubs ist. „Es kann daher sinnvoll sein, mehrere kürzere Urlaube zu machen, um möglichst oft einen Erholungseffekt zu haben“, so der Psychologe.
Wie gut die Regeneration gelingt, kann auch von der Art des Urlaubs beeinflusst werden. „Was Menschen als erholsam empfinden, ist sehr verschieden“, so Wendsche. Studien hätten aber verschiedene Faktoren identifiziert, die einen Einfluss darauf haben. Neben dem Abschalten von der Arbeit seien dies zum Beispiel neue soziale Kontakte, das Erlernen neuer Fähigkeiten wie eine Sprache und die Überzeugung, etwas Sinnvolles zu tun, etwa Zeit mit der Familie zu verbringen. „Einen großen Effekt hat für viele Menschen, ob sie selbst auswählen können, was sie tun“, so der Psychologe. Er rät dazu, im Urlaub Zeit für sich selbst einzuplanen.
Diese Zeit ist aber nicht dafür da, in den Ferien Anfragen von Kolleginnen und Kollegen zu beantworten oder liegen gebliebene Aufgaben nachzuarbeiten. „Viele Führungskräfte geben nur ungern die Kontrolle ab und bleiben auch im Urlaub erreichbar“, so Wendsche. Die Erreichbarkeit sollte aber auf feste Zeiten reduziert sein. Noch besser sei es, berufliche Geräte komplett auszuschalten, denn im Urlaub muss niemand dienstlich erreichbar sein.
Erholungstipps für Führungskräfte
Vorplanung:
- Aufgaben delegieren und klären, wer Vertretungen übernimmt.
- Ansprechpersonen benennen und an alle, die dies wissen müssen, kommunizieren.
- Kurz vor dem Urlaub keine neuen Projekte beginnen.
- Im Kalender eintragen, wann eine neue Aufgabe nach der Erholungspause begonnen werden kann (frühestens zwei bis drei Tage nach der Auszeit).
- Offene Themen mit eigenen Vorgesetzten und Mitarbeitenden ebenfalls klären oder für die Zeit nach dem Urlaub terminisieren.
Erreichbarkeit:
- Im Urlaub generell nicht erreichbar sein und auch nicht zwischendurch die E-Mails checken.
- Nur für absolute Notfälle sollten vertraute Personen wie Assistenzen private Kontaktdaten bekommen.
Wiedereinstieg:
- Um den Erholungseffekt zu erhalten, nicht gleich am ersten Tag nach dem Urlaub voll einsteigen. Stattdessen Zeit für das Abarbeiten der aufgelaufenen Nachrichten blocken, um wieder auf den Stand zu kommen.
- Besonders in den ersten Tagen nach der Rückkehr pünktlich in den Feierabend gehen und auf die Einhaltung der Pausenzeiten achten. Belastung langsam steigern.
Um den Erholungseffekt nach einem Urlaub möglichst lange zu erhalten, ist schließlich ein stressfreier Wiedereinstieg wichtig. Wenn es möglich ist, sollte die Arbeit in der Mitte der Woche beginnen, rät Wendsche. „Dann ist das nächste Wochenende bereits nah und das Risiko geringer, sich gleich zu Beginn zu viel zuzumuten.“
Damit der Erholungseffekt nicht gleich wieder verpufft, hilft außerdem ein psychologischer Trick. „Es kann einen positiven Effekt haben, gesammelte Erinnerungen wie zum Beispiel Fotos oder mitgebrachte Souvenirs bewusst zu nutzen, um sich den Urlaub wieder ins Gedächtnis zu rufen“, sagt der Psychologe. Wenn im Kreis der Kolleginnen und Kollegen zudem bei Gesprächen im Büro Urlaubserinnerungen ausgetauscht werden, hat dies noch eine weitere Wirkung: Inspiration für Urlaubsziele im nächsten Jahr zu finden.