Link to header
Dem Carpaltunnelsyndrom vorbeugen
Hände und Gelenke werden im Gartenbau stark beansprucht, wenn zum Beispiel Pflanzen zurück­geschnitten werden. © Picture Alliance/Zoonar/Maria Kraynova

Gesundheitsschutz : Dem Carpaltunnelsyndrom vorbeugen

Repetitive Tätigkeiten mit hohem Kraftaufwand können Auslöser für das Carpaltunnelsyndrom sein. Mit geeigneten Maßnahmen kann gut vorgebeugt werden.

Wer durch eine öffentliche Parkanlage läuft, macht sich nur selten Gedanken darüber, wie viel Arbeit in der Pflege von Pflanzen und ­Wegen steckt. Dabei leisten Beschäftigte im Garten- und Landschaftsbau häufig schwere körperliche Arbeit. Sie schneiden Sträucher, kürzen Hecken, mähen Rasen und fällen Bäume. Dabei nutzen sie Maschinen und ­Werkzeuge wie Trennschleifgeräte, Heckenscheren, Freischneider und Kettensägen. Diese Werkzeuge müssen mit viel Kraft ­gehalten werden und übertragen ihre Vibrationen über die Hände in die Arme der Arbeitenden. Durch diese Belastung kann das Gewebe im Bereich des Handballens überanstrengt werden, was nach einer ­gewissen Zeit zu Muskel-Skelett-­Beschwerden in  Fingern und Händen führen kann. ­Diese klingen in der ­Regel nach der Arbeit wieder ab.

Wiederholungen führen zu Überlastung

Werden solche Tätigkeiten aber wieder und wieder ausgeführt, kann es zur dauerhaften Überlastung von Sehnen und Gelenken kommen. Die Beschwerden würden dann immer länger anhalten oder gar nicht mehr verschwinden. Wenn dann noch in der Hand, in den Fingern oder am Handballen Taubheitsgefühle und anhaltende Schmerzen entstehen, könnte die Diagnose lauten: Carpaltunnelsyndrom, kurz: CTS.

Carpaltunnelsyndrom als Berufskrankheit

Seit 2015 ist das CTS unter der Ziffer 2113 als Berufskrankheit anerkannt. Die Zahl der Fälle steigt langsam an: Während laut DGUV-Statistik 2019 noch 280 Fälle als Berufskrankheit anerkannt wurden, waren es 2023 bereits 393. Betroffen sind Angehörige ganz verschiedener Berufssparten. Dr. Kai Heinrich, Referatsleiter Muskel-Skelett-Belastungen beim Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), zählt prinzipiell alle Angehörigen handwerklicher Berufe zur Risikogruppe. „Ein Risiko für CTS besteht überall dort, wo hoher Krafteinsatz gefragt ist und repetitive Bewegungen der Hände und Fingergelenke ausgeführt werden“, so Heinrich. Im öffentlichen Dienst kann das Thema Beschäftigte im Garten- und Landschaftsbau betreffen, aber auch Mitarbeitende in Forstbetrieben, der Straßenunterhaltung oder im ­Facility Management, also bei der Gebäudewartung.

Illustrationen einer Hand mit Knochen und Sehnen. Eingezeichnet sind der Medianusnerv, das Carpalband und die Beugensehnen.
© raufeld

Die Funktionsweise der Hand

  • Die Sehnen für die Fingerbeugung der Hand verlaufen von der Innenseite des Unterarms über das Handgelenk zu den ent­sprechenden Fingerknochen. Gebraucht werden sie für die Streckung auf der Außenseite des Unterarms entlang des Handrückens. Sie bewegen sich gleitend in sogenannten Sehnenscheiden.
  • Die Steuerungssignale werden von Nerven übertragen. Der wichtigste ist der Medianusnerv (1).
  • Sehnen und Nerven, die auf der Innenseite des Unterarms über das Handgelenk hin zur Hand­innenfläche verlaufen, werden durch den Carpaltunnel geschützt. Das Dach besteht aus einem Strang Bindegewebe: dem Carpalband (2).
  • Wenn die Sehnenscheiden der Beugesehnen (3) anschwellen, erhöht sich der Platzbedarf im Carpal­tunnel. Es kommt zu erhöhtem Druck, der sich auf den Medianusnerv auswirken kann. So entstehen Taubheits­gefühle, Schmerzen, Bewegungseinschränkungen. Wird der Medianusnerv auf diese Weise über längere Zeit mit Druck belastet, kann sich daraus das Carpaltunnelsyndrom ent­wickeln.

Wer am CTS erkrankt, erleidet starke Schmerzen und fällt häufig für lange Zeit als Arbeitskraft aus. Umso wichtiger ist es, dass Vorgesetzte darauf achten, dass es gar nicht erst zu einer Erkrankung kommt. Das beginnt mit der Aufklärung über die Funktionsweise der ­Hände und die Entstehungsweise des CTS, etwa im Rahmen der regelmäßigen Unter­weisungen. „Betroffene erkennen die Überlastungen ihrer Sehnen und ­Gelenke oft nicht rechtzeitig“, sagt Heinrich. „Daher ist es für Vorgesetzte wichtig zu beobachten, wo im täg­lichen Einsatz repetitive Tätigkeiten mit hohem Krafteinsatz auftreten.“ Dann müssen regelmäßig Pausen eingelegt werden. Wird im Team gearbeitet, ist darauf zu achten, dass Tätig­keiten abwechselnd ausgeübt werden.

Bei Symptomen schnell reagieren

Genau so wichtig wie die Vorbeugung ist, frühzeitig zu reagieren, sobald ­erste Symptome auftreten. Das CTS beginnt in der Regel mit nächtlichen Schmerz- und Missempfindungen, die den Daumen, Zeige- und Mittelfinger betreffen. Später können Taubheits­zustände in manchen Bereichen der Finger dazukommen. Im weiteren Verlauf zeigen sich die Symptome dann auch tagsüber. Ohne Therapie und bei weiterer Belastung des Nervs kann es zu bleibenden Schädigungen kommen.

Schutzmaßnahmen nach dem STOP-Prinzip

Um zu vermeiden, dass es so weit kommt, sollten ­Führungskräfte das mögliche Risiko in der Ge­fähr­dungs­beurteilung ermitteln. Nach dem STOP-Prinzip können dann Schutzmaßnahmen von S wie Substitu­tion über T wie technische Maßnahmen, O wie organisatorische Maßnahmen bis zu P wie personenbezogene Maß­nahmen ergriffen werden. Substitution, also Ersatz, wäre etwa durch Roboter denkbar, die Tätigkeiten automatisiert aus­führen. Als technische Maßnahme könnten schwere, benzinbetriebene Maschinen mit starker Vibration durch leichtere, elektrisch betriebene ­Maschinen mit geringerer Vibration ersetzt werden. Organisatorische und personenbezogene Maßnahmen: Bei repetitiven Arbeiten sollten sich Teammitglieder häufiger ab­wechseln. Zugleich sollte darauf geachtet werden, dass – etwa bei einer Unterweisung – eine ­gelenkschonende ­Arbeitsweise geübt wird.

Klicktipp

Tiefergehende Informationen und Maßnahmen in der DGUV Information 209-097 „Mensch und Arbeitsplatz – Dem Carpaltunnelsyndrom vorbeugen“ 

Die Anerkennung von CTS als Berufskrankheit ist nicht einfach. Nur etwa ein Drittel der Verdachtsfälle wurden in der Vergangenheit auch anerkannt. Der Grund: Es gibt viele andere mögliche Ur­sachen, die als Auslöser in­frage ­kommen: etwa Erkrankungen des zen­tralen Nervensystems, Schwangerschaft, Frakturen oder Druckschäden durch eine Gips­bandage. Wie bei allen Berufskrankheiten muss ein enger Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Ent­stehung nachge­wiesen werden. Die zuständige Unfallkasse beauftragt medi­zinische Gutachten, die den ­Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem CTS bewerten. Eine neurolo­gische Untersuchung, beispielsweise durch ein Elektroneuromyogramm, muss die Diagnose bestätigen.

Doch je größer das Wissen um das CTS und seine ­Ur­sachen ist, desto besser stehen die Chancen, dass es gar nicht so weit kommt. Führungskräfte spielen dabei für die Prävention eine zentrale Rolle und sollten das Risiko für ihre Beschäftigten ernst nehmen.