Eine gute Ausbildung, klare Spielregeln und feste Standards in der Kommunikation zwischen Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften– das macht für Adelheid Kuhlmey die interprofessionelle Zusammenarbeit in einem Krankenhaus aus. Doch noch ist das in Deutschland nicht der Fall, kritisiert die Direktorin des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité Universitätsmedizin in Berlin. In vielen deutschen Krankenhäusern gibt es keine funktionierende Kultur des Miteinanders zwischen den verschiedenen Berufsgruppen. Ärztinnen, Ärzte und Pflegepersonal kommunizieren wenig und arbeiten nicht auf Augenhöhe miteinander. Jeder bleibt in seinem Fachgebiet und oft fehlt es an gegenseitiger Wertschätzung. Das ist problematisch für das Betriebsklima und erschwert Arbeitsabläufe.
Um Kompetenzen wissen – gegenseitig entlasten
„Gerade in Krankenhäusern, wo die Arbeits- und Stressbelastung sowieso schon groß ist, ist interprofessionelle Zusammenarbeit heute wichtiger denn je“, sagt Adelheid Kuhlmey. „Es ist wichtig, die Kompetenzen der anderen Gesundheitsberufe zu kennen, sie in Entscheidungen einzubinden und Verantwortung zu teilen, um sich gegenseitig zu entlasten.“ Für Kuhlmey ist klar: Für interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen medizinischen Führungskräften und Pflegekräften brauchen Krankenhäuser in Deutschland eine neue Arbeitskultur. Sie ist aber optimistisch: „Wo die Voraussetzungen im Krankenhaus stimmen, kann die Kommunikation Welten bewegen.“
Flache Hierarchien helfen heilen
Flache Hierarchien sind eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen, um etwas zu ändern. Ärzteteams und die Teams der Pflegekräfte blieben oft unter sich und hätten kaum Berührungspunkte. „So kommt es viel schneller zu Missverständnissen und Fehlern in den Abläufen.“ Außerdem fehle oft die Wertschätzung für die Arbeit der anderen, was erfolgreicher Kommunikation im Wege steht.
Interdisziplinäres Denken gehört in die Ausbildung
Kuhlmey fordert, dass die interprofessionelle Zusammenarbeit stärker in die Ausbildung integriert werden soll. Dazu seien zum Beispiel interprofessionelle Ausbildungsmodule für Medizinstudentinnen, -studenten und Pflegeauszubildende sinnvoll. Denn: Unzureichende Kenntnisse über das Fachwissen der späteren Kooperationspartner erschweren die Zusammenarbeit enorm.
Teamarbeit ist Pflicht, nicht Kür
„Teamarbeit darf nicht bloß Goodwill sein. Notwendig sind angemessene Standards in der Kommunikation und in der Informationsübermittlung“, fordert Kuhlmey. Klare Rahmenbedingungen und gute Arbeitsteilung, die sich an der besten Versorgung der Patientinnen und Patienten orientieren, sind für sie unumgänglich.
In Skandinavien ist die berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit bereits weit verbreitet, in Deutschland sieht die Lage noch anders aus. Allerdings konzentrieren sich auch hierzulande immer mehr Krankenhäuser darauf, die interprofessionelle Zusammenarbeit zu verbessern.
Interprofessionalität – davon profitieren alle
Interprofessionelle Zusammenarbeit hat viele Vorteile. Einer davon: Ein besseres Miteinander hilft, Nachwuchs zu finden. In der Medizin gibt es zwar noch ausreichend Nachwuchs, in der Pflege ist die Situation aber bereits angespannt. Eine stimmige Kooperationsatmosphäre wirkt sich auf Pflegekräfte aber auch dahingehend aus, dass sie zufriedener arbeiten und sich mehr an die Einrichtung binden. Patientinnen und Patienten profitieren von interprofessionellen Teams ebenfalls. „Unsere Forschungslage dazu ist mager. Aber die vorliegenden Studien zeigen, dass interprofessionelle Versorgung – verbunden mit standardisierten Absprachen und Übergaben – die Behandlungsqualität im Krankenhaus erhöht. Sie sorgt für qualitativ bessere Versorgungsleistungen, Drehtüreffekte nehmen ab, die Liegedauern verkürzen sich.“
Autor: Olaf Wittrock